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Rachmann, Tom

Rachmann, Tom

Titel: Rachmann, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Unperfekten
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überheblich. In dieser angenehmen Lage befinden wir uns derzeit
nicht.«
    »Soll das heißen, wir sollen
im Müll herumwühlen?«fragte ein Reporter.
    »Ich wollte auf das Gegenteil
hinaus. Wir müssen anfangen, Geld zu verdienen. Im Augenblick wollen die Leute
uns nicht lesen. Wir schreiben Geschichten, von denen wir überzeugt sind, aber
nicht das, was die Leute lesen wollen.«
    »Heh«, widersprach ein
Redakteur, »wir wissen sehr wohl, was unsere Leser wollen.«
    »Sehen Sie mal, ich will hier
keine Hühnchen rupfen«, fuhr Milton fort, »ich will einfach nur Klartext reden.
Und ich sehe die Lage so. Die Zeitung hat praktisch als Flugblatt angefangen.«
    Boyd fuhr ihm gereizt in die
Parade: »Sie war von Anfang an mehr.«
    »In ganz groben Zügen, ich
beschreibe das in groben Zügen. Haben Sie Nachsicht mit mir.«
    Die Redakteure überlegten, ob
sie gerade einem Fiasko beiwohnten. Das hier war Miltons erste Begegnung mit
dem Verleger und den Mitarbeitern, und er war drauf und dran, beide Seiten zu
verprellen. »Heben Sie sich Ihr Urteil für später auf«, fuhr er fort, »ich will
Ihnen erst noch ein paar hässliche Sachen erzählen. So richtig unschöne Dinge.
Sind Sie bereit? Na dann. Dieses Blatt also fing an als goldiges Flugblatt - bitte,
feuern Sie mich nicht gleich am ersten Tag, Boyd!« Alle lachten.
    »Die Zeitung war am Anfang
eine zündende Idee«, erzählte Milton einfach weiter. »Aber irgendwie wurde sie
zu Löschpapier. Das genau ist sie heute. Das soll jetzt niemanden hier
herabsetzen. Und schon gar nicht setzt es die Institution selbst herab. Ich
sage nur, es wird Zeit, aus dieser Zeitung eine richtige Zeitung zu machen. Und
dazu brauchen wir zwei Dinge — übrigens dieselben wie bei jedem anderen Erfolg
auch: Grips und harte Arbeit. Ich will weg von dieser Wischiwaschi-Haltung. Wir
müssen nicht dauernd mit den großen Zeitungen mithalten. Wir brauchen aber auch
keine Anti-Haltung um ihrer selbst willen. Ich will einerseits seriöse
Geschichten, und zwar unsere eigenen, und andererseits unterhaltsames Tüdelü.
Der Rest kommt in die Kurzmeldungsspalten. Und ich will, dass gelacht wird.
Wir haben zu viel Angst vor Humor - klingt alles so getragen. Alles Quatsch!
Unterhaltsamer, Leute! Guckt euch mal an, wie die Briten das machen. Die
bringen hübsche Mädchen, die bieten Wochenendtrips nach Brighton. Und die
haben verdammt viel mehr Auflage als wir. Ich will damit jetzt nicht sagen, wir
kommen demnächst als Boulevardblatt oder mit Riesenschlagzeilen raus, ganz
abgesehen davon, dass ich um Himmels willen niemanden zu Brighton-Trips nötigen
will. Aber wir müssen uns darüber klar sein, dass wir auf eine Art auch zur
Unterhaltungsbranche gehören. Das heißt nicht, irgendwas zusammenzuschmieren.
Heißt auch nicht, vulgär zu sein. Es heißt, lesbar zu sein im besten Sinn -
nämlich so, dass uns die Leute gleich nach dem Aufwachen wollen, noch vor dem
Kaffee. Wenn wir weiter unseren Dienst an der Öffentlichkeit so getragen
verrichten, dass kein Mensch uns liest, dann leisten wir der Öffentlichkeit
gerade keinen Dienst. Wir werden also die Auflage erhöhen und genau damit Geld
machen.«
    Die Belegschaft applaudierte
zu Recht verhalten. Miltons Ausführungen verhießen nicht allen Gutes, vor allem
denjenigen nicht, die sich bisher stets darauf verlassen hatten, dass es in
diesem Job gerade nicht auf Grips und harte Arbeit ankam. Boyd wiederum hatte
große Lust, Milton sofort zu feuern. Er wusste allerdings auch, wie sehr das
auf ihn selbst zurückfallen würde. Er hatte den Mann ausgesucht, war extra mit
ihm hierhergeflogen. Er beschloss, ein Jahr zu warten. Und ihn dann zu feuern.
    Milton stand derweil zwischen seinen
Leuten, schüttelte Hände, prägte sich Namen ein. Im Grunde kannte er sie längst
- er hatte Pressemenschen vor- und rückwärts studiert, er hatte schon vorher
genau gewusst, wie seine Rede ankommen würde. Journalisten sind zickig wie
Kabarettisten auf der Bühne und dickköpfig wie Maschinisten in der Fabrik. Er
konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
     
    B agdad: 76 T ote bei B ombenanschlägen
     
    Craig
Menzies, Nachrichtenchef
     
    AN NIKA HOCKT VOR DER WASCHMASCHINE UND zieht feuchte Wäsche heraus.
»Allmählich habe ich den Verdacht, mein Lebenszweck ist Waschen«, sagt sie,
»alles andere ist bloß Schall und Rauch.«
    Menzies steht hinter ihr, legt
den Zeigefinger auf ihren Scheitel und zieht die Kurve ihrer kunstschwarzen
Haare nach. Dann legt er ihr die flache

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