Rachmann, Tom
jetzt öfter. Die Ressortleiter machen ihn in den
Konferenzen runter. Nur Kathleen ist dieselbe: Sie schikaniert ihn wie immer
und lässt ihre Launen an ihm aus.
Menzies und Annika selbst
verhalten sich fast wie vorher. Aber der Lack ist ab. Sein Lob für ihr
Foto-Projekt klingt zu gewollt, ihr Interesse an seinen Erfindungen zu
beflissen. Früher haben sie jeden Abend ein neues Gericht probiert. Jetzt gibt
es immer dieselben paar. »Ist doch eins von deinen Lieblingsessen, dachte ich.«
»Klar. Toll. Danke.«
Sie gehen zu einem Anwalt, und
der rät Menzies zum Vergleich, die Sache ziehe sich sonst endlos hin. Annika
platzt ihm fast ins Wort, hält dann aber lieber den Mund. Menzies weiß genau,
sie will den Kampf gegen Paolo - sie schäumt vor Zorn.
»Mir ist lieber, das Ganze hat
schnell ein Ende«, sagt Menzies dem Anwalt. »Ich zahle das gerne. Naja, gerne nicht,
aber ...«
Sie fahren schweigend nach
Hause. Später haben sie einen albernen Krach: Ihr passt nicht, wie er den
Parmesan reibt. Die Wohnung ist plötzlich zu eng für zwei.
»Ich gehe nach unten und
bastele noch ein bisschen«, sagt er. Und sie bleibt allein.
Sie geht die gemeinsamen CDs
durch und legt die Musik zu >Let's Get Lost< ein. Der Dokumentarfilm ist
von Bruce Weber, einem ihrer Lieblingsfotografen, der Soundtrack von Chet
Baker. Das Stück heißt >You're My Thrill<. Sie versucht eine Weile, dem
Text zu folgen, hat vor lauter Anstrengung Falten auf der Stirn, dann verliert
sie das Interesse. Sie klappt ihr Handy auf - keine SMS. Ob sie ihm eine
schicken soll? Mit welchem Text? Sie tippt etwas ein und löscht es gleich
danach wieder: »dies Lied« (löschen) »Idiot« (löschen) »war schön« (löschen)
»warum ist immer alles dummes Zeug?« (löschen) »so albern«. Auch das löscht
sie wieder und schreibt: »vermiss dich, darf ich mal kommen?« Das schickt sie
ab.
In der Stereoanlage singt Chet
Baker: »Nothing
seems to matter ... Here's my heart on a silverplatter ... Here's my will?«
Unten in der Werkstatt
versucht Menzies mit einem Gummiband, einen Fleck an der Wand zu treffen.
Einmal schafft er es, dann versucht er, dreimal hintereinander zu treffen. Dann
langweilt es ihn, und er fängt an, Skizzen für unrealistische Erfindungen zu
machen, die er nie konstruieren wird.
Annika klopft. »Hallo«, sagt
sie befangen. »Stör ich?«
»Nein, nein. Was gibt's denn?«
Sie kommt einen Schritt näher.
»Kannst du mir schon was zeigen? Eine neue Erfindung, die uns Millionen einbringt
und die ganze Welt umkrempelt?«
»Schön wär's.«
»Du tüftelst aber nicht gerade
einen hinterhältigen Plan gegen mich aus, oder?«
»Doch, wie ich dich mit meinem
teuflischen Käsegereibe langsam zu Tode ärgern kann.«
Sie streckt ihm die Zunge
raus.
»Wir sollten einen Racheplan
erfinden«, sagt sie.
»Für ihn, meinst du?«
»Ja.«
»Ich muss gestehen, daran habe ich auch schon gedacht.«
»Das musst du mir erzählen.«
»Nein, der war albern.«
»Doch, los.«
Er lächelt schwach. »War ein
kleiner Sender, den verstecken wir bei ihm im Schlafzimmer, und der hat eine
Endlosschleife mit Mückengesirre. Der schaltet sich aber immer nur im Dunkeln
ein, also sobald er das Licht ausmacht, geht das Gesirre los. Er macht wieder
Licht und will die Mücke jagen, aber da ist keine mehr. Und so weiter und so
weiter, bis er reif für die Zwangsjacke ist.«
»Genial! Das müssen wir
machen!«
»Nein, nein.«
»Warum denn nicht?«
»Naja, aus vielen Gründen.«
»Nämlich?«
»Erstens weiß ich gar nicht
genau, wie. Außerdem werden wir mit Sicherheit erwischt. Und dann habe ich
auch keine Lust, meine Zeit mit Spielzeug zu verbringen, bloß um jemanden zu
quälen. Was würde das denn bringen? Dass der Kerl ein bisschen Ärger in sein
Leben kriegt? Und wir sitzen dann abends da und sind glücklich, weil jemand
anders genervt ist?«
»Na gut, muss ja nicht dein
Mückendingsda sein. Aber irgendwas - ein bisschen Rache. Nein?«
»Ich habe den Verdacht, Rache
gehört zu den Dingen, die in der Theorie besser funktionieren als in der Praxis.
Ich meine, jemanden leiden zu lassen, weil man selbst gelitten hat, das ist
doch nicht wirklich befriedigend.«
»Da irrst du dich aber sehr.«
»Und funktioniert denn Rache
überhaupt? Ich meine, geht es darum, Gerechtigkeit herzustellen - irgendwas
Ungerechtes auszugleichen? Das ist durch nichts zu erreichen. Oder soll man
sich dadurch besser fühlen? Ich würde mich nicht besser fühlen.«
»Also, wenn dir
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