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Rachmann, Tom

Rachmann, Tom

Titel: Rachmann, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Unperfekten
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Langeweile, was weiß
ich. Nichts von Bedeutung. Wenn ich dir das doch bloß klarmachen könnte.«
    Sie wird etwas ruhiger. Aber
sie hat etwas Distanziertes.
    »Warum bist du
runtergekommen«, fragt er. »Du kommst sonst nie hier runter.«
    »Ich hatte etwas für dich.«
Sie hält ihm einen Umschlag hin.
    Er zieht ein Schreiben heraus
und liest den Anfang. »Ach«, sagt er überrascht, »du hast ein Patent beantragt.
Auf meinen Namen.« Er sieht sie an. »Und die haben es abgelehnt.« Er lacht.
    »Da steht aber auch, warum. Du
könntest es doch ein bisschen ändern, und dann vielleicht...«
    Er liest das ganze Schreiben.
Sie scheint gar nicht mitgekriegt zu haben, dass seine kindischen naturwissenschaftlichen
Projekte nicht annähernd so ausgetüftelt sind, dass sie patentreif wären. Er
hält den Blick auf den Brief fixiert. Wenn er hochsähe und sie wäre weg, er
käme aus dem Raum hier nicht mehr raus. Das stimmt natürlich nicht - er wird
hier rauskommen, wird nach oben gehen, wird morgen wieder in der Redaktion
sein, und die nächste Zeitung wird erscheinen. Das ist das eigentlich Schlimme.
    Sie muss hierbleiben. Er muss
ihr klarmachen, worum es ihm geht. Aber worum geht es ihm eigentlich? Worum
ging es ihm die ganze Zeit? Er verspürt den Drang, sich zu entschuldigen, aber
das ist auch falsch. Noch eine Entschuldigung wäre das Ende für sie. Sie will,
dass er etwas tut.
    »Gut«, sagt er. »Was ist gut?«
    »Danke, aber wer sagt denn,
dass ich ein Patent wollte?«
    »Du, oder? Ich dachte, du
hättest das gesagt.«
    »Und wie bist du überhaupt an
die Unterlagen gekommen? Ich meine, hast du meine ganzen Sachen hier unten
durchgewühlt? Das Projekt war noch gar nicht fertig.«
    »Was ist denn daran so
schlimm?«
    »Nun ja, das ist ein Übergriff,
das ist schlimm daran. Ich meine, das hier geht dich gar nichts an.«
    »Ach, also bitte. Jetzt
übertreibst du aber.«
    »Ich mische mich auch nicht in
deinen Scheiß ein.«
    Sie schweigt - er benutzt nie
Schimpfwörter. »Ich persönlich«, sagt sie schließlich, »wäre glücklich, wenn
du mein Zeug bei irgendeinem Wettbewerb einreichen würdest.«
    »Ach, ja? Wirklich? Du fändest
es toll, wenn ich dir mit einem Ablehnungsschreiben vor der Nase rumwedeln
würde: >Hier, ich dachte, ich tue dir einen Gefallenab jetzt solche Wohltaten.«
    »Warum bist du denn so wütend
darüber?«
    »Bin ich nicht. Ich weiß nur
nicht, was ich sonst tun soll«, sagt er. »Mein Kram hier unten ist ganz allein
meiner. Und zwar aus einem einzigen Grund: Diese dämliche Werkstatt hier ist
mein Vergnügen. Ich verbringe mein Leben in einem Job, den ich hasse, mit einer
Karriere, die ich nicht ertrage. Ich bin einundvierzig, und meine Freundin
lässt sich von irgendeinem Typen aus dem Yogakurs vögeln, von irgend so 'nein
Italiener, und ich werde dafür per Gericht zur Kasse gebeten. So.« Er fuchtelt
mit dem Ablehnungsschreiben vor ihr herum.
    Sie reibt sich die Augen, aber
ihr Gesicht ist hart.
    »So«, fährt er fort, »und du
lässt deine Finger aus meinen privaten Dingen. Aus dem einzigen Kram, den ich
mache, der kein beschissener Reinfall ist.«
    »Ich gehe nach oben.«
    »Gut.« Er verliert die Nerven.
»Gut«, sagt er noch einmal, lauter. »Aber nicht nach oben. Du verpisst dich zurück
in die Staaten. Ich zahl dir den Flug.«
     
    Oben in der Wohnung trifft er
sie wieder. Sie sitzt am Küchentisch, schockstarr. Er holt ihren Koffer vom
Schrank.
    »Willst du mich verarschen?«,
fragt sie.
    »Pack deine Sachen.«
    Sie zieht eine Schublade
voller Unterwäsche und Socken auf, starrt ihn an und steht eine Minute lang
untätig da.
    Als sie anfängt, den Koffer zu
füllen, bucht er ihr im Internet einen Flug nach Washington am nächsten Tag.
    »Dreitausend Dollar«, sagt sie
laut, mit Blick auf den Bildschirm. »Bist du irre?«
    »Zu spät. Ich habe ihn gerade
bezahlt.« Er ruft in einem Hotel an und bucht ihr ein Zimmer für die Nacht.
    »Und meine ganzen Sachen?«
    »Schicke ich nach. Hör zu, du
musst den Flug nicht nehmen, wenn du nicht willst. Aber dann bezahlst du deine
Heimreise selbst.«
    Er ruft ein Taxi und bringt
ihr Gepäck hinunter. Er stellt es an den Bordstein und geht wortlos wieder ins
Haus. Ihm zittern die Beine beim Treppensteigen. In der Wohnung beugt er sich
über die Toilette und spuckt bitter, bis er einen trockenen Mund hat.
    Wie lange brauchte sie wohl
bis ins Hotel?
    Wenn er zu schnell anruft,
klingt er vielleicht noch durchgedreht. Er muss

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