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Rachsucht

Titel: Rachsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Gardiner
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stellte den Ton lauter. Das Heulen der Motoren vermischte sich mit den Klängen von Purple Haze zu einer einzigen Kakofonie.
    »Willst du darüber reden?«, fragte ich.
    »Nein. Ich hab schon zu viel geredet. Deswegen sitze ich jetzt zu Hause.« Er trank aus der Flasche. »Und neue Vorschläge brauche ich auch keine. Das Maß ist voll. Mehr Mist höre ich mir nicht an.«
    Er setzte mich nicht vor die Tür, aber er bat mich auch nicht, zu bleiben. Die Stimmung war eisig. Ich wusste, dass wir beide kurz vor dem Zusammenbruch standen, aber ich konnte jetzt nicht einfach verschwinden und die Sache auf sich beruhen lassen.

    »Jesse, ich will nicht, dass wir uns so trennen. Ich respektiere dich mehr als alles andere auf der Welt. Was mit Harley war, ist mir egal.«
    »Die Sache mit ihr war schon vor meiner Lähmung zu Ende.«
    Das unreife Kind in mir schlug vor Freude Purzelbäume, aber sein Blick war so ernst, dass ich das Schlimmste befürchtete.
    »Was war passiert?«, fragte ich.
    Er fixierte die Decke, als müsste er eine gewichtige Entscheidung treffen. »Normalerweise würde ich nie was weitererzählen, das mir jemand anvertraut hat. Aber Harley hat dich schließlich selbst mit nach Las Vegas genommen.«
    Was hatte sie ihm anvertraut, das er mir nicht verraten konnte?
    »Ich habe die Beziehung beendet, weil sie spielsüchtig war.«
    Mir fiel ein Stein vom Herzen.
    »Das scheint dich nicht zu überraschen«, stellte er fest.
    »Nicht besonders.«
    Ihr Vater ein Spieler, die Ausflüge nach Las Vegas und zur Rennstrecke von Del Mar …
    »Wie hast du das rausgefunden?«, fragte ich.
    »Als ich Jura studierte, rief sie immer mal wieder an und wollte vorbeikommen, weil sie angeblich sowieso in L.A. war. Aber das waren nie Geschäftsreisen, sondern immer Besuche in Hollywood Park. Nach einer Weile wurde mir klar, dass sie ihre Spielsucht nicht mehr unter Kontrolle hatte.«
    »Die I-Heist-Leute hatten das rausgekriegt und setzten sie unter Druck«, schloss ich.

    »Ich habe deswegen die Beziehung beendet, ihr aber versprochen, die Sache für mich zu behalten, wenn sie sich Hilfe holt. In der Rehaklinik hat sie mich besucht, um mir zu erzählen, dass sie zu den Anonymen Spielern ging.«
    »Aber sie hat nie aufgehört zu spielen«, sagte ich. »So konnte I-Heist sie zwingen, für die Organisation Geld zu waschen.« Allmählich beschlich mich ein ganz ungutes Gefühl. »Und wofür brauchen sie dich?«
    »Harley steht kurz vor dem Zusammenbruch. Sie ist dem Druck nicht mehr gewachsen.«
    Und sie war die Verbindung zu Brand. Irgendwie passte alles zusammen. Das Geld, ihre Tätigkeit für Mako und I-Heist...
    »Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Kenny Rudenski und I-Heist zu dem Schluss kommen, dass sie eine Belastung ist. Und dann …«
    »Gibt es keinen Grund mehr, sie am Leben zu lassen.« Harley war in Gefahr.
    »Ich hab versucht, sie zu erreichen, aber sie ist nicht im Büro.«
    Ich holte tief Luft. »Vielleicht kann ich sie finden.«
    Die Stereoanlage spielte jetzt All Along the Watchtower von Hendrix, Jesses Lieblingsstück. Die Stimmung war aufs Äußerste angespannt.
    »Jesse, ich weiß, dass es kein guter Zeitpunkt ist, aber ich muss mit dir über uns beide reden.«
    Er wandte den Blick ab. »Harley hat dich wegen meiner Zeit in der Rehaklinik angelogen, und du hast ihr geglaubt. Das ist …«
    Warum hatte ich ihr geglaubt und nicht ihm? Hatte ich so wenig Vertrauen zu ihm? Ich fühlte mich furchtbar.

    »Und wieso ist es für dich so wichtig, dass du nach meiner Verletzung die einzige Frau für mich warst?« Er sah mich an. »Das warst du übrigens. Seit damals gab es für mich immer nur dich.« Sein Blick war ein einziger Vorwurf. »Ich komme einfach nicht darüber hinweg, dass du … Fühlst du dich gut, weil du bei einem Krüppel geblieben bist? Freust du dich etwa, dass es so gekommen ist?«
    »Großer Gott, Jesse, nein! Das darfst du nicht denken.« Mir stiegen die Tränen in die Augen.
    Er breitete die Hände aus. In seinem Blick las ich Ratlosigkeit und Wut.
    »Du gehst jetzt besser. Ich will nichts sagen, was mir später leidtut.«
     
    Drei Stunden später hatte ich Harley aufgespürt. Nach langer Überredung hatte ihre Sekretärin mir verraten, dass sie zu einer Besprechung in Santa Ynez war. Ich fuhr in Richtung Norden über die Berge und die endlose Cold Springs Bridge, an Wäldern, Weinbergen, Arabergestüten und golden schimmernden Hängen vorbei zu dem einzigen Ort, an dem Harley in diesem Stadium zu

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