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Rachsucht

Titel: Rachsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Gardiner
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seinen Rollstuhl heran und setzte sich hinein. »Es tut dir leid, alles tut dir leid. Stehst du auf die Mitleidsmasche?«
    Mein Kopf fing an zu dröhnen. »Das war mies.«
    »Ich fühle mich auch mies.«
    Er rollte rückwärts, wendete auf der Stelle und fuhr zur Tür. Ich eilte ihm nach und legte ihm die Hand auf die Schulter.
    »Sei kein Idiot«, sagte ich.
    Er schüttelte mich ab. »Ich bin kein Projekt, Evan. Ich brauch deine Wohltätigkeit nicht.«

    »Wie kannst du so was auch nur denken?«
    Er hielt an und schaute zu mir hoch. Wut und Schmerz waren verflogen. Er war am Boden zerstört.
    »Schau mal in den Spiegel. Überleg dir, was du da siehst.«
    Ich antwortete nicht.
    »Bis dahin …« Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich kann das nicht. Es gibt kein ›bis‹. Es hat keinen Sinn mit uns. Vergiss unsere Pläne.«
    Dann war er weg.

27. Kapitel
    Seit zwei Tagen hatte ich nichts von ihm gehört. Den Ausschlag gab ein Anruf der Schneiderin.
    »Miss Delaney, Sie haben den Termin für die Anprobe verpasst. Wenn das Kleid zur Hochzeit fertig sein soll, müssen Sie herkommen.«
    »Ja«, stammelte ich. »Ich weiß nur nicht, ob … Ich kann Ihnen nicht sagen, wann …«
    Vergiss unsere Pläne. Es würde keine Hochzeit geben.
    Jesse war zutiefst verletzt. Ich hatte mir ein Recht herausgenommen, das mir nicht zustand.
    Vertraust du mir? Wie oft hatte er mir diese Frage gestellt? Bisher hatte er nie sein Vertrauen zu mir beteuern müssen, das war für uns beide eine Tatsache gewesen. Und jetzt: vorbei. Dieses Vertrauen hatte ich leichtfertig verspielt. Ich hatte ihn auf die schlimmstmögliche Weise verletzt, indem ich ihn glauben ließ, dass ich ihn nicht respektierte.
    Nach dem Unfall war ich die Einzige gewesen, die ganz normal mit ihm umging, die Einzige, der sein Zustand nicht peinlich war. Ich hatte ihn weder von oben herab behandelt noch hatte ich ihm Dinge durchgehen lassen. Ich wusste, dass er es so empfand, weil er es mir selbst gesagt hatte. Nun hatte ich ihm das Gefühl vermittelt, klein und schwach zu sein, hatte ihn denken lassen, dass er in meinen Augen ein Krüppel war. Und dass ich es so wollte.

    Ich fühlte mich hundeelend. Empfand ich denn wirklich so? Hielt ich mich für seine Wohltäterin? Nein, bestimmt nicht.
    Ich starrte sein Foto auf dem Kamin an. Das verschmitzte Lächeln, die Sonne in seinem Gesicht. Mein Gott, wie ich ihn liebte. Ich durfte ihn nicht verlieren. Ich musste dafür kämpfen, dass er wieder an mich glaubte. Und wenn ich ihn auf Knien anflehen musste. Ich war mir sicher, die Sache wieder zurechtbiegen zu können. Schlimmer konnte es schließlich nicht mehr kommen. Zumindest dachte ich das.
    Ich bin eben eine unverbesserliche Optimistin.
     
    Einen Notizblock vor der Nase, marschierte ich auf das Gerichtsgebäude zu. Es war ein milder, heiterer Tag. Das Grün der Rasenflächen auf der anderen Straßenseite leuchtete, und auf dem Uhrenturm drängten sich Touristen, die die Aussicht genießen wollten. Ich hatte eine Arbeitsbesprechung, aber mein verwirrtes Gehirn schien nicht in der Lage, zusammenhängende Sätze zu bilden. In Gedanken versunken überquerte ich die Straße, ohne den Wagen zu beachten, der mit laufendem Motor an der Ampel wartete.
    Doch als ich auf den gegenüberliegenden Gehsteig trat, rollte er neben mir an den Straßenrand und hupte. Ich sah auf. Ein funkelnagelneuer weißer Jaguar XJ8. Mari Vasquez Diamond stieg aus.
    »Sie!«, sagte sie. »Gehen Sie bloß nicht weg.«
    Aber sie hatte sich den falschen Augenblick ausgesucht, um auf mir herumzuhacken.
    »Was? Ist jeder, der auf der Straße an Ihnen vorbeiläuft, verpflichtet, einen Kotau zu machen? Haben Sie schon die NASA von der Größe Ihres Egos informiert? Es sollte ins
GPS aufgenommen werden, damit der Luftverkehr gewarnt werden kann.«
    Sie wirkte, als hätte sie eine Zitrone verschluckt. Mit den knochigen braunen Beinen und den hohen Absätzen erinnerte sie mich an ein menschliches Cocktailspießchen.
    »Das ist Verleumdung«, behauptete sie.
    »Sie wiederholen sich.«
    »Und das schon zum zweiten Mal. Ich werde meine Klage erweitern.« Sie hängte sich eine Tasche mit dem Foto ihres Chihuahua über die Schulter.
    »Sie sind juristisch nicht ganz auf der Höhe«, erwiderte ich. »Erstens war das eine Beleidigung und keine Verleumdung. Zweitens ist es nicht verboten, eine Diva in die Schranken zu weisen. Drittens wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mich jetzt in Ruhe lassen würden.«
    Ich schritt an ihr

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