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Rachsucht

Titel: Rachsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Gardiner
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die Leitplanke. Ende der Fahnenstange. Dann bin ich alle Sorgen los, und keiner sitzt mir mehr im Nacken. Du auch nicht.«
    Sie schlang sich die Arme um den Körper und wandte sich ab. Als ich ihr die Hand auf den Rücken legte, schüttelte sie
mich ab. Ich warf einen Blick auf das Casino. Ein Bus parkte so vor dem Gebäude, dass er das Schild teilweise verdeckte und nur noch »CASI« zu lesen war. Und plötzlich hatte ich eine meiner kleinen Erleuchtungen.
    Ich spürte, wie mir die Hitze ins Gesicht stieg. Harley hatte meine Gutgläubigkeit schamlos ausgenutzt.
    »Das hier ist Cassie«, sagte ich fassungslos.
    Cassie war das Glücksspiel. Und es war tatsächlich ihre große Liebe, die immer für sie da war … Eine Liebe, die Harley nicht aufgeben konnte, weil sie von I-Heist gezwungen wurde, für die Gangster Bargeld in die Casinos zu tragen und zu waschen.
    »Du brauchst Hilfe«, konstatierte ich.
    »Das hat Jesse auch gesagt. Aber die Anonymen Spieler – vergiss es. Frauen mit blau gefärbten Haaren, die ihre Rente beim Bingo verspielt haben und den ganzen Tag rumjammern. Da passe ich einfach nicht hin.«
    »Du hast das nicht mehr unter Kontrolle.«
    Sie lachte laut und hemmungslos. Obwohl sie offensichtlich auf eine Katastrophe zusteuerte, konnte ich nichts für sie tun.
    »Du bist wirklich lustig.« Das Lachen wollte einfach nicht aufhören. Sie beugte sich vor und stützte die Hände auf die Knie, als hätte ich den besten Witz aller Zeiten zum Besten gegeben.
    Erneut legte ich ihr die Hand auf den Rücken. Sie richtete sich auf und stieß sie beiseite. Ihre Augen glänzten jetzt genauso hart wie die Silberdollars.
    »Vielleicht solltest du aufhören, dich in das Leben anderer einzumischen«, sagte sie.
    Damit entriss sie mir den Popcornbecher. Münzen kullerten
über den Asphalt. Als ich mich abwandte, rutschte sie auf den Knien über den Boden und sammelte einen Dollar nach dem anderen ein.
     
    Ich fuhr nach Hause. Ein Gefühl der Leere erfüllte mich, weil ich Harley nicht daran hindern konnte, sich selbst zu zerstören. So sehr sie mich auch getäuscht hatte – der Gedanke, dass ich ihr nicht helfen konnte, dass sie noch nicht einmal die Berührung meiner Hand duldete, war mir unerträglich. Als ich in meine Straße einbog, klingelte mein Handy.
    »Evan?« Es war Taylor. »Kann ich vorbeikommen? Ich will dir die Dessous bringen, die du bestellt hast.«
    Im Augenblick konnte ich Taylor noch nicht einmal in kleinen Dosen ertragen. »Ich bin den ganzen Abend nicht zu Hause.«
    »Überhaupt nicht? Bist du sicher?«
    »Hundertprozentig.«
    »Kann ich nicht den Ersatzschlüssel nehmen, den du im Abflussrohr versteckt hast?«
    Hatte diese Frau jeden Winkel meines Hauses durchstöbert? »Taylor …«
    Die Akkuleistung ließ für einen Augenblick nach, und der Anruf war weg. Auch egal. Um Taylor konnte ich mich später kümmern.
    Adam Sandovals Pick-up kam mir entgegen. Ich hupte. Er wendete und parkte hinter mir. Als ich ausstieg, lief er mir mit einem Bündel Papiere in der Hand entgegen. Er wirkte völlig verstört.
    »Was ist los?«, fragte ich.
    Er hielt mir die Papiere hin. Seine Stimme war nur noch ein Flüstern.

    »Als ich gestern Nacht ins Internet gegangen bin, wurden plötzlich diese Fotos geladen. Ich wollte sie löschen, aber stattdessen wurden sie ausgedruckt.«
    Ich griff nach den Bildern. Schlagartig wurde mir schlecht.
    Es waren Fotos von Isaacs Autopsie. Adam ließ sich gegen mein Auto sinken.
    »Oh Gott, Adam«, sagte ich. »Das hätte nie passieren dürfen.«
    Ich wusste, dass er Isaacs Leiche damals identifiziert hatte. Er hatte gesehen, was seinem Bruder angetan worden war, doch die vom Bestatter vorgenommene Rekonstruktion war ihm ein Trost gewesen. Er hatte die Kleider ausgesucht, in denen Isaac begraben worden war. In der Nacht vor der Beerdigung hatte er an Isaacs Sarg gewacht und gebetet. Er hatte dafür gesorgt, dass Isaac in Würde zur letzten Ruhe gebettet wurde. Es war wie eine heilige Handlung.
    Und nun war alles umsonst gewesen. Ausgelöscht durch die Fotos von Isaacs nackter Leiche auf einem stählernen Autopsietisch, mit dem Y-förmigen Einschnitt, der den Brustkorb geöffnet hatte. Der halbe Schädel fehlte. Es war ein Gewaltakt von äußerster Brutalität. Diese Entweihung von Isaacs Andenken sollte Adam vernichten.
    »Sie werden die Fotos veröffentlichen«, sagte er.
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein!«
    »Im Internet. Auf Sites für Perverse …« Er ließ den Kopf sinken

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