Rachsucht
würde ihr helfen und sie davon abhalten, Gelder ihrer Mandanten zu veruntreuen.«
Sein Blick wanderte in die Ferne. Nein, in die Vergangenheit.
»Harley hat mich tatsächlich in der Rehaklinik besucht. Angeblich ging sie dreimal wöchentlich zu Treffen und nahm an einem Entwöhnungsprogramm teil. Sie war so stolz darauf, endlich clean zu sein. Und sie bedankte sich bei mir, weil ich ihr dabei geholfen hatte. Darüber hat Yago sich lustig gemacht. Er wusste genau, was sie zu mir gesagt hatte. Sie hat mich getäuscht, Ev, damit ich sie nicht verrate. Sie hat nie aufgehört, zu spielen und für Yago Geld zu waschen.«
»Hast du das der Polizei erzählt?«
»Ja.«
»Glaubst du, Brand hat sie Yago ausgeliefert?«
»Das soll die Polizei klären«, sagte er mit ausdrucksloser Stimme. Er versuchte nicht mehr, meine Gefühle zu schonen. Es war ihm egal.
Über den Dächern versank die Sonne. Der Himmel im Westen färbte sich blutrot. »Jesse, was Adam über die letzte Etappe gesagt hat …«
In der Staffel war die letzte Etappe die entscheidende. Der letzte Mann musste den Sieg holen.
Er starrte auf seine Hände. »Das sollte heißen, dass ich Brand kriegen muss.«
Nicht »finden«. Nicht »der Polizei übergeben«.
»Ich weiß, was ich zu tun habe«, sagte er.
Mich überlief es eiskalt.
32. Kapitel
Das Telefon weckte mich. Ich lag bäuchlings auf der Bettdecke und war offenbar eingeschlafen. Mühsam rappelte ich mich auf und stieß ein Glas Wasser vom Nachttisch, als ich nach dem Telefon greifen wollte. Mein Haar war immer noch feucht von der Dusche, also konnte ich nicht lange geschlafen haben. Üppiger Jasminduft erfüllte die Luft, und draußen blühte blutrot der Hibiskus.
Ambers Stimme riss mich vollends aus dem Schlaf. »Evan, das ist ja furchtbar. Warst du wirklich in die Schießerei verwickelt?«
»Woher weißt du das, Amber?«
»Hier ist die Hölle los.«
»Was soll das heißen?«
»Der Junior ist durchgedreht. Er hat getobt wie ein Irrer und sein Büro zu Kleinholz verarbeitet. Wir mussten Papa Rudenski in Washington anrufen. Schließlich ist Mrs. Diamond gekommen, um ihn zu beruhigen.«
Jetzt war ich wirklich hellwach. »Mal ganz langsam. Warum war Rudenski so aufgebracht? Wegen der Schießerei im Lagerhaus?«
»Nein, dein Freund war hier.«
Meine Kehle war wie zugeschnürt. »Wann?«
»Er ist hier reingerollt und wollte den Junior sprechen. Der ist praktisch sofort explodiert.«
Nicht schon wieder. »Ist er immer noch da? Soll ich kommen und die beiden trennen?«
»Nein, der Junior ist mit Mrs. D. weg, und dein Jesse ist gleich hinterher.«
Keine Ahnung, ob sie noch weiterredete, ich hörte es nicht mehr. Ich legte auf und versuchte, Jesse zu erreichen. Er war weder zu Hause noch im Büro und ging auch nicht ans Handy. Durch das Fenster drang ein kalter Lufthauch herein. Wieder spürte ich eine Vorahnung, den Schatten des Todes. Jetzt wollen euch die anderen nur noch zum Schweigen bringen. Ein für alle Mal.
Ich schnappte mir meine Schlüssel, sprang in den Explorer und raste zu Jesses Haus. Sein Auto stand nicht in der Einfahrt. Trotzdem rannte ich ins Haus und rief nach ihm. Er war nicht da. Ich blieb im Wohnzimmer stehen und spähte hektisch umher. Vielleicht gab es irgendeinen Hinweis darauf, wo er steckte. Die Gelben Seiten lagen auf der Küchentheke. Aufgeschlagen war die Seite für Feuerwaffen.
Er konnte sich unmöglich noch am Abend eine Waffe besorgt haben. Nicht von einem offiziellen Händler. Aber ich wusste selbst, dass ich mir etwas vormachte. Jesse war gewieft und fest entschlossen.
Und ein guter Schütze.
Wenn er nicht ums Leben kam, würde er im Gefängnis landen. Das durfte ich nicht zulassen. Wo konnte er sein? Es gab nur eine Antwort.
Ich rief Dale Van Heusen an. »Ich fahre zu Kenny Rudenskis Villa.«
»Ich kann in zwanzig Minuten da sein. Wir treffen uns vor dem Haus«, sagte er.
Ich stieg in den Explorer und raste in Richtung Berge.
Das einzige Fahrzeug vor Rudenskis Haus war Mari Diamonds weißer Jaguar. Kein Porsche, kein Audi. Die sinkende Sonne tauchte die Berge in ein tiefes Blau, das vom Gold der Felsen gesäumt wurde. Für mich war es ein Déjà-vu-Erlebnis. Waren wirklich erst vierundzwanzig Stunden verstrichen, seit ich hier nach Adam gesucht hatte?
Ich hämmerte gegen die Haustür. Keine Reaktion. Dann starrte ich direkt in die Überwachungskamera. »Machen Sie auf, Rudenski.«
Es musste einfach jemand da sein. Ich ging zum Fenster des
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