Rachsucht
ihm den Schläger um den Hals wickeln wollte, würde ich ihm gern dabei behilflich sein, eine Schleife zu binden.
»Ich habe beobachtet, wie Sie Brand vom Gefängnis abgeholt und zu seinem Hotel gefahren haben«, widersprach ich.
»Was?« Das war Harley.
»Haben Sie seine Kaution bezahlt?«
»Antworten Sie nicht darauf«, sagte Harley.
Rudenski ignorierte sie. »Nein, habe ich nicht.«
»Warum wirkte Brand so verärgert, als Sie ihn abgesetzt haben?«
Harley drohte Rudenski mit dem Finger. »Kein Wort! Dieses Gespräch ist beendet.«
Sie wirkte, als würde sie gleich explodieren. Für einen Augenblick tat sie mir leid. Die Situation drohte ihr zu entgleiten. Andererseits hatte ich Kenny Rudenski soeben bei einer Lüge ertappt.
»Er wollte Geld«, sagte er.
Harley zischte durch die Zähne.
»Warum?«, fragte ich.
»Weil er ein Arschloch ist.« Ausholen, durchziehen, abschlagen. »Er behauptet, Mako schuldet ihm seinen Jahresbonus für das Jahr, in dem er verschwunden ist.«
»Wieso haben Sie mir nichts davon gesagt?«, wollte Harley wissen.
»Ich habe es meinem Vater erzählt. Das war keine rechtliche Frage, sondern die pure Gier. Ich habe Brand zu verstehen gegeben, dass er sich verziehen soll.«
Adam sah aus, als wäre ihm etwas in der Kehle stecken geblieben. »Warum ist er überhaupt zurückgekommen? Was will er?«
»Das weiß ich nicht.«
»Aber Sie wissen, wer die Frau war, stimmt’s? Die anonyme Anruferin arbeitet bei Mako, oder?«
»Mr. Rudenski, lassen Sie sich nicht auf Spekulationen ein«, warnte Harley.
Er holte erneut aus. »Ich werde Ihnen sagen, was ich glaube. Ich glaube, er war allein im Auto.«
Der Gedanke hatte mich auch schon gestreift, aber das war nicht das einzig Erstaunliche an seiner Aussage. »Sie haben doch immer behauptet, er wäre gar nicht der Fahrer gewesen.«
Er zuckte die Achseln. »Wenn jemand abhaut und sich drei Jahre lang versteckt, spricht das wohl für sich selbst.«
»Ich dachte, er wäre Ihr Freund«, warf Adam ein.
»Das dachte ich auch.« Er hielt mitten im Schwung inne. »Aber der Kerl ist ein Blutegel. Er hängt sich an die Leute und saugt sie aus. Geschäftspartner, Freunde, Frauen.«
»Glauben Sie, die Frau war eine Ex, die noch eine Rechnung mit ihm offen hatte?«
»Jetzt hören Sie mir mal gut zu. Meiner Meinung nach war die Anruferin eine Geliebte, die er überredet hatte, ihn aufzusammeln, nachdem er seinen BMW angezündet hatte. ›Schätzchen, ich hab eine Panne, kannst du mich abholen?‹ Sie wissen schon. Aber als er einsteigt, stinkt er nach Rauch und Benzin. Später hört sie von dem Unfall und zählt zwei und zwei zusammen. Sie will sich nicht der …« Er schnippte mit den Fingern. »Wie heißt das noch, Dawson?«
»Begünstigung. Sie wollte sich nicht der Begünstigung schuldig machen«, ergänzte Harley.
»Der Mann nutzt die Leute aus. Ich muss es wissen, ich war nämlich der Idiot, der ihn zu Mako gebracht hat.« Er schüttelte den Kopf. »Man sollte nie jemanden einstellen, der ehrgeiziger ist als man selbst. Solche Leute fallen einem unweigerlich in den Rücken.«
Ich hatte einen bitteren Geschmack im Mund. Für Kenny Rudenski drehte sich alles nur um ihn selbst. Er war bloß deshalb wütend, weil er sich von Brand verraten fühlte. Von Mitgefühl für Isaac keine Spur.
Sein Telefon klingelte. »Mein Vater möchte uns sprechen, Ms. Dawson«, sagte er, nachdem er kurz gelauscht und ein paar Worte gesagt hatte.
Dann setzte er eine ernste Miene auf und wandte sich Adam zu. »Die Justiz befasst sich mit Brand. Und die Polizei hat von Ihnen sämtliche Informationen erhalten. Die Sache liegt nicht mehr in unserer Hand.«
Sein Blick fiel auf Adams Kruzifix. »Mexikanisches Silber, stimmt’s?« Er nahm das Kreuz zwischen die Finger und rieb darüber. »Sieht so aus, als könnten Sie Hilfe von höherer Stelle gebrauchen.«
Mit einem angewiderten Blick zog Adam ihm das Kreuz aus der Hand.
»Gehen wir, Evan«, sagte er zu mir.
»Zünden Sie eine Kerze an«, rief Rudenski uns nach. »Und sprechen Sie ein Ave-Maria.«
Auf dem Parkplatz marschierte Adam schnurstracks zu seinem Pick-up. Er erweckte den Eindruck, als würde er bei der kleinsten Provokation in die Luft gehen.
»Ein Ave-Maria! Der Kerl behandelt mich wie einen Campesino und denkt, ich merke es nicht.« Er fuhr herum. »Und was wolltest du da? Mich daran hindern, die Lobby zu Kleinholz zu verarbeiten und mich mit Benzin zu übergießen?«
»Adam, bitte. Das ist
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