Rachsucht
ich sagen sollte.
Gegen halb zwei nahm Jesse seine Mittagspause. An der Straßenecke gab es einen Imbiss. Jesse bestellte ein italienisches Sandwich mit Fleischbällchen und Salat.
Er beschloss, an einem Tisch vor dem Lokal zu essen, anstatt im Büro. Ein paar Minuten, in denen er ungestört nachdenken konnte, würden ihm guttun. Er zog die Halbfingerhandschuhe aus und langte nach dem Sandwich.
Am Nebentisch ließ sich ein schwarz gekleideter dicker Mann nieder. Reeboks, Fettwülste in Jeans, T-Shirt. Spärlicher rotblonder Kinnbart. Er erinnerte vage an die aufgeblähte Version eines französischen Intellektuellen. Sartre zum Aufblasen.
Er begegnete Jesses Blick. »Kann ich mir Ihren Pfefferstreuer ausleihen?«
»Natürlich.«
Jesse beugte sich vor, um danach zu greifen. In diesem Augenblick packte der Dicke den Rollstuhl und zog ihn rückwärts an seinen eigenen Tisch.
»Was soll das? Hören Sie sofort damit auf!«
Der Mann ließ einen braunen Umschlag in seinen Schoß fallen. »Fotos für Sie.« Damit erhob er sich. »Wir melden uns. Guten Appetit!«
Der Inhaber des Imbisslokals hatte Jesses lautstarken Protest gehört und warf einen Blick nach draußen. Der Dicke schlenderte soeben davon. Jesse hielt Fotos in der Hand, die er offenbar einem Umschlag entnommen hatte, und presste zwei Finger gegen die Nasenwurzel. Dann zerriss er die Bilder.
13. Kapitel
Der Typ mit dem Hund.
Amber Gibbs hatte Franklin Brand den »Typ mit dem Hund« genannt. Im Holiday Inn hatte ich geglaubt, einen Chihuahua kläffen zu hören. Mari und Cal Diamond wollten sich scheiden lassen, kurz nachdem Brand in die Stadt zurückgekehrt war. Eins plus eins plus eins ergab … ja, was? Das musste ich herausfinden. Die gesprächige Amber konnte mir als Insiderquelle von unschätzbarem Nutzen sein. Ich wählte die Nummer von Mako.
»Ich höre gerade KHOT FM mit den heißesten Hits in Santa Barbara!«, meldete sie sich.
Im Hintergrund hörte ich das Radio laufen, in dem gerade das Telefongewinnspiel des Senders angepriesen wurde.
»Miss Gibbs, hier ist Evan Delaney. Wir haben uns beim Mittagessen unterhalten.«
»Ach so.« Sie räusperte sich und fing noch einmal von vorne an. »Mako Technologies.«
Ich rieb mir die Augen. »Sie haben mir doch erzählt, dass Franklin Brand mit Mari Diamond befreundet war.«
»Ja, echt total unheimlich. Ich war im selben Raum mit jemandem, der einen Menschen getötet hat.«
Wie direkt sollte ich sein? Dumme Frage. »Hatte Mrs. Diamond eine Affäre mit ihm?«
Pause. »Das hab ich mir bisher noch gar nicht überlegt.«
Sie verstummte. Wahrscheinlich mussten alle Neuronen in ihrem Gehirn einzeln aktiviert werden, wenn sie denken wollte. Ich setzte mich inzwischen an meinen Schreibtisch und loggte mich in mein E-Mail-Konto ein.
»Was sagen die anderen bei Mako?«
»Weiß nicht.«
»Falls Sie was hören, würden Sie sich bei mir melden?«
»Klar. Ich …« Im Hintergrund forderte der Radiosprecher die Zuhörer auf, anzurufen. »Ich muss auflegen. Bis demnächst.«
Mein E-Mail-Programm piepste. Eine neue Nachricht von Jakarta Rivera und Tim North.
Die beiden boten mir einen Buchvertrag an. Mit Vorauszahlung sowie einem großzügigen Anteil an eventuellen Verlagshonoraren und Lizenzgebühren. Ihre Namen sollten zwar auf dem Cover erscheinen, aber ich würde als Verfasserin genannt werden. Der Preis war gut, die Bedingungen klangen vernünftig. Dann folgte ein Nachsatz, der mich offenbar neugierig machen sollte.
Gemeinsam waren wir vierundzwanzig Jahre lang für britische und amerikanische Geheimdienste tätig. Seit zehn Jahren arbeiten wir auf eigene Rechnung im Bereich Spionage. Von uns kriegen Sie aus erster Hand Informationen über schmutzige, blutige Geschäfte. Geben Sie sich einen Ruck! Wir wissen, dass Sie interessiert sind.
Panik stieg in mir auf. Schmutzig? Blutig? Entweder veräppelten mich die beiden, oder das waren Leute, mit denen ich nichts zu tun haben wollte. Ich löschte die Nachricht.
Als ich mich erhob, empfand ich das dringende Bedürfnis nach einem klaren Kopf. Ich zog mich um und ging laufen.
Ich joggte an der Mission vorbei, die in der Nachmittagssonne vor dem Hintergrund der Berge besonders malerisch wirkte, und lief mit schwingenden Armen die Alameda Padre Serra hinauf. Meine Oberschenkelmuskeln jaulten geradezu auf. Diesen Teil der Strecke betrachtete ich als Buße für meine Sünden wie Stolz, Lust, Völlerei, Großsprecherei und die Klamotten, die ich in den
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