Rachsucht
wirklich wissen?«
»Wann haben Sie rausgefunden, dass Brand Mako-Gelder unterschlagen hat?«
»Einen Monat nachdem er die Stadt verlassen hatte«, sagte er beiläufig, während er zur Bar schlenderte, um sich noch ein Bier zu holen. »Ich nehme an, Sie meinen die Firedog-Affäre. Ist Ihr Freund, der Professor, darauf gekommen?«
»Im Wesentlichen schon.«
»Wie das? Hat sein Bruder darüber Buch geführt?«
»Mako nicht?«, fragte ich.
»Schon, aber Sie können sich ja denken, wie das gelaufen ist. Brand hat die Bücher frisiert. Er hat eine Finanzierungsrunde für Firedog organisiert und das Geld selbst kassiert. Als ein Mitarbeiter in der Buchhaltung misstrauisch wurde und bei Firedog nach den Aktienzertifikaten fragte, fing der Bruder des Professors …«
»Isaac Sandoval.« Verdammt noch mal, konnte er sich nicht einmal Isaacs Namen merken?
»Genau. Der fing an, Brand damit auf die Nerven zu gehen. Daraufhin fälschte der die Zertifikate und übergab sie der Finanzabteilung von Mako.«
»Und damit wollte er durchkommen?«, fragte ich.
»Er jonglierte mit der Finanzierung wie ein Hütchenspieler und verschob die Papiere so lange hin und her, bis keiner mehr wusste, wo sie waren. Außerdem war er einer der Spitzenmanager. Niemand stellte sein Wort infrage.«
»Das werden Sie natürlich auch der Polizei sagen.«
»Bestimmt nicht. Das hier ist ein Privatgespräch.«
Mir stieg die Röte ins Gesicht. »Privat?« Mein Blick zuckte zu der Sicherheitskamera, die uns angeblich überwachte.
»Wenn die Behörden je eine Aufzeichnung dieses Gesprächs in die Finger kriegen, wird darauf nichts zu sehen sein, das mir nicht in den Kram passt. Versuchen Sie also nicht, mich zu zitieren. Ich werde alles abstreiten.« Er lächelte lüstern. »Es sei denn, Sie würden dieses Gespräch gern beim Abendessen fortsetzen.«
Ich stellte mein Glas ab. »Nein, danke.«
»Selber schuld.« Er lächelte immer noch. »Wollen Sie wirklich nichts Stärkeres als Taittinger?«
Schon wieder diese Andeutungen. Meinte er Drogen oder Sex? »Wirklich nicht. Danke für den Champagner.«
Als ich aus der Haustür trat, hörte ich Musik aus dem ersten Stock. Jemand saß dort auf dem Balkon. Den nackten Füßen auf dem Geländer nach zu urteilen, eine junge Frau. Ich konnte nur ihre Unterschenkel erkennen, erhaschte aber einen Blick auf eine ungewöhnliche Tätowierung: eine schwarze Schlange, die sich um das Bein wand.
Rudenski erschien in der Tür. »Rufen Sie mich an, Gidget, wann immer Ihnen danach ist. Ich unterhalte mich gern mit Ihnen.«
Von zu Hause aus rief ich Harley Dawson an.
»Was ist eigentlich mit Kenny Rudenski los? Hat der Kerl ein Chromosom zu viel? Er wollte mit mir essen gehen, um den Mord an Isaac zu besprechen.«
»Ich weiß, er kann einfach nicht anders. Aber er ist kein schlechter Mensch«, erwiderte sie. »Er steckt nur bis zum Hals in einer Sache, die Mako jede Menge schlechte Presse garantiert.«
»Seine Stressbekämpfungsmethoden finde ich trotzdem merkwürdig. Ein Aufreißer, der in den Tod verliebt ist.«
»Diese Affäre wird den Ruf von Mako ruinieren. George Rudenski hat sich auf sichere Netzwerke für Rüstungsindustrie und Nachrichtendienste spezialisiert. Das ist die Grundlage seines Geschäfts. Wie wird das wirken, wenn sich einer seiner Topmanager selbst bedienen kann, ohne dass der Boss was spannt?«
»Willst du mir erzählen, dass Kenny seinem Vater nichts von den fehlenden Aktienzertifikaten erzählt hat?«
»Er wollte das allein regeln.«
Ich umklammerte das Telefon und sagte gar nichts. Auch am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen. Hatte Harley gemerkt, was ihr gerade entschlüpft war?
»Evan – das ist mir rausgerutscht.« Sie hatte soeben ihre Schweigepflicht als Anwältin verletzt und aus vertraulichen Gesprächen mit den Rudenskis geplaudert.
»Bitte …« Sie atmete angestrengt in den Hörer. »Kannst du bitte vergessen, dass ich das gesagt habe?«
Aber der Geist war aus der Flasche. »Solange mich keiner danach fragt.«
»Verdammt noch mal, musst du mir auch noch eine reinwürgen?«
»Harley, was ist eigentlich los mit dir?«
»Dieser Brand-Müll macht mich fertig. Die Börsenaufsicht wird Mako in Stücke reißen, und die Aktionäre werden uns mit Sammelklagen überziehen.«
»Wie bitte?« Ich traute meinen Ohren nicht. »Müll? Wir reden hier von dem Mord an einem jungen Mann.«
Eine lange Pause. »Bitte, Evan. Bitte vergiss es.«
Ich wusste nicht mehr, was
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