Rachsucht
Achtzigern getragen habe. Und dafür, dass ich Amber Gibbs zum Tratsch verleitet hatte. Sollten meine Oberschenkel ruhig leiden.
Ich trainierte eine Dreiviertelstunde. Als ich schließlich vor Nikkis Haus ankam und die Hände auf die Knie stützte, rann mir der Schweiß in Strömen über das Gesicht.
Nikki stürzte mit Thea auf der Hüfte aus der Tür. »Jesse war vor zehn Minuten da und hat dich gesucht. Irgendwo brennt es.«
Ein mulmiges Gefühl packte mich. »Danke.«
Von meinem Haus aus rief ich ihn auf dem Handy an.
»Ich bin unterwegs nach Goleta.« Er hatte die Freisprechanlage in seinem Auto eingeschaltet und musste fast schreien, um den Motorlärm zu übertönen. »Die Sache wird immer brenzliger. Brands Anwalt weiß, dass die Polizei mittlerweile von Mord ausgeht. O’Leary hat mich angerufen, um mir zu sagen, wenn ich mich nicht aus der Sache raushalte, verklagt er mich wegen Nötigung.«
»Das ist doch absurd.« Ich wischte den Schweiß weg, der mir in den Augen brannte.
»Leider hat O’Leary auch Adam angerufen und ihn ebenfalls bedroht. Adam hat mir auf die Mailbox gesprochen. Der ist kurz vorm Ausrasten.«
»Wo fährst du hin?«, fragte ich.
»Zum Holiday Inn. Ich fürchte, Adam will Brand stellen.«
Ich griff nach meinen Autoschlüsseln. »Zimmer 127. Ich bin in einer Viertelstunde da.«
»Ich fahre jetzt vom Freeway ab. Lass uns hoffen, dass ich nicht zu spät komme, Ev.«
Als ich eintraf, standen zwei Streifenwagen mit rotierendem Blinklicht vor dem Holiday Inn. Ich quetschte mich in eine Parklücke und sprang aus dem Wagen. Mit wackligen Knien lief ich zwischen den Gebäuden hindurch zum Innenhof.
Vor Zimmer 127 drängten sich Menschen, unter denen ich auch Jesse entdeckte. Auf seiner Krawatte grinsten fröhlich gelbe Tweetys, aber sein Gesicht war kreidebleich.
»Eine Katastrophe«, sagte er zu mir.
Die Tür zu Brands Zimmer war offen. Hineinsehen konnte ich nicht, aber ich hörte, was der Deputy sagte. »Sie haben das Recht zu schweigen …«
Als Jesse auf den Parkplatz des Holiday Inn fuhr, hörte er Reifen quietschen. Adams Pick-up wartete vor der Lobby. Jesse stellte seinen Wagen ab und stieg aus. Viel zu langsam rollte er die Auffahrt hinauf und steuerte den Hof an, wo er erst nach Brands Zimmer suchen musste.
Was sollte er bloß sagen, falls Franklin Brand die Tür öffnete?
Jetzt, drei Jahre nach der Attacke, hatte er immer noch keine Ahnung, wie er sich in dieser Situation verhalten sollte. Nicht zuschlagen, schärfte er sich ein. Zumindest nicht sofort.
Der Hof war still, der Pool lag verlassen da. Der einzige Mensch weit und breit war ein Zimmermädchen mit Wäschekarren. Er zählte die Zimmernummern.
Vor 127 bremste er und klopfte. »Brand. Aufmachen!«
Er klopfte fester, und die Tür bewegte sich ein wenig. Erst jetzt merkte er, dass sie nur angelehnt gewesen war. Er schob sie ein Stück weit auf.
»Hallo?«
Als die Tür aufschwang, stieg ihm ein metallischer Geruch in die Nase. Jemand atmete mühsam. Das Licht fiel auf Adam, der an der Innenwand lehnte und den Eindruck erweckte, als wäre ihm übel. Er starrte auf etwas, das Jesse nicht sehen konnte, weil es durch die Tür verdeckt wurde.
Jesses Mund war mit einem Mal wie ausgedörrt. Fassungslos betrachtete er den Baseballschläger in Adams Hand.
Adam blickte ihn an. »Ich war’s nicht. Jesse, ich hab nicht …«
Aber Jesse stieß die Tür vollends auf. Sie schlug gegen die Wand und prallte ab. Er hielt sie mit der Hand auf.
»Um Gottes willen, Adam!«
Auf dem Boden hinter dem Bett lag unter blutgetränkten, zerwühlten Laken eine menschliche Gestalt.
Jesse fuhr sich mit den Fingern durchs Haar.
»Zurücktreten«, befahl der Deputy, als er einen Augenblick später Adam am Arm aus dem Hotelzimmer führte. Adams Hände waren mit Handschellen auf den Rücken gefesselt, und er wirkte völlig verwirrt.
»Ich komm so schnell wie möglich zum Gefängnis«, sagte Jesse.
Adam versuchte zu nicken, wollte den Mund öffnen, schien aber wie gelähmt. Als er weggeführt wurde, warf er Jesse über die Schulter einen letzten Blick zu.
Ein Deputy trat auf uns zu. »Waren Sie im Zimmer?«
»Nur an der Tür.«
»Haben Sie was angefasst?«
»Ich habe nur die Tür aufgestoßen.«
»Die Spurensicherung wird zum Abgleich Ihre Fingerabdrücke benötigen. Bleiben Sie bitte hier.«
Jesse war ausgebildeter Anwalt, wie ich. Ihm war absolut klar, dass man der Polizei nicht ungefragt Informationen liefern und
Weitere Kostenlose Bücher