Rachsucht
betrachtete.
»Hören Sie, in der letzten Woche bin ich bestohlen und überfallen worden. Jesse wurde zusammengeschlagen. Franklin Brand hat zwei Menschen getötet und ist immer noch auf freiem Fuß. Er brennt auf Rache, und Jesse ist der einzige noch lebende Zeuge. Die Polizei behandelt uns wie Dreck, und eine Erpresserbande verlangt von Jesse zweihunderttausend Dollar in …« Ich warf einen Blick auf die Uhr. »In ein paar Stunden. Es ist vielleicht ein bisschen viel verlangt, aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Undercover-Spezialisten endlich in die Gänge kommen würden.«
Die beiden sahen mich an.
»Wenn Sie Jesse aus der Patsche helfen, schreibe ich Ihre Memoiren nach Ihren Vorgaben«, sagte ich.
Tim Norths kühler Blick hellte sich auf. »Wann können Sie anfangen?«
»Sobald Sie meine Hauptbedingung erfüllt haben.«
»Und die wäre?«
»Beweisen Sie mir, dass Sie echt sind.«
»Dass wir wirklich Spione waren, meinen Sie? Das dürfte nicht ganz einfach sein«, erwiderte North.
»CIA und britischer Geheimdienst äußern sich nicht dazu, ob jemand ein Agent ist oder war. Wie also wollen Sie sich ausweisen?«, fragte ich.
»Mit Kassenzetteln aus dem Spionageladen«, schlug Jax vor.
»Sehr witzig.«
»Wir haben Pässe verschiedener Länder auf unterschiedliche Namen. Wie wäre es damit?«, fragte North.
Ich schüttelte den Kopf. »Die kann sich jeder besorgen, der genügend Geld hat.«
»Unsere stammen aber nicht aus Britisch-Honduras«, warf Jax ein.
Ich warf ihr einen scharfen Blick zu. Das war ohne Zweifel eine Anspielung auf Brand.
»Gar nicht so einfach«, sagte North. »Ganz im Gegenteil.« Sein grobes und doch merkwürdig gewinnendes Gesicht wurde nachdenklich. »Bestätigen könnte das eigentlich nur die Gegenseite. Die Akteure kennen einander. Sie müssten sich Zugang zu den Unterlagen eines verfeindeten Landes verschaffen und sich einen Namen besorgen.«
»Oder sich an ein drittes Land wenden, dessen Geheimdienst informiert ist«, warf Jax ein.
»Nein, es muss ein gegnerischer Staat sein«, beharrte North. »Ein Land, das völlig pleite ist. Mit Geld erreicht man dort alles. Vielleicht kriegen Sie dann, was Sie wollen.«
Ein mulmiges Gefühl beschlich mich. Die beiden schienen sich wirklich auszukennen.
»Und was für eine Geschichte soll ich schreiben – falls ich Ihnen glaube?«
»Scharfschützenausbildung bei der Armee, Geheimdienst, schnelle Autos und Dolchstöße auf dem Basar.«
»Sie haben was von privater Spionage erwähnt. Waren Sie Söldner?«, fragte ich.
»Nein.«
»Industriespion?«
»Bestimmt nicht.«
Damit steuerte er auf ein Bekleidungsgeschäft zu. Jax und ich folgten ihm hinein. Um einen Riesenkaktus herum stapelte sich Kleidung in Erdfarben. Tim North griff sich eine braune Hose zum Binden und hielt sie sich an die Taille.
»Leg das weg, bevor dich jemand sieht«, befahl Jax.
Er warf ihr einen vernichtenden Blick zu. Daraufhin stellte sie sich dicht neben ihn und zischte ihm etwas zu. Das hatte mir noch gefehlt: Spione, die sich gegenseitig an die Gurgel gingen. Ich wandte mich ab und griff nach einem naturfarbenen Hemd mit eingesticktem Leguan.
»Weg damit«, sagte Jax.
»Nicht meine Farbe?«
»Diese Klamotten sind eine Schande. Kleben am Körper und sind trotzdem formlos. Damit schaut jeder aus wie ein klumpiges Kissen.« Sie bugsierte mich zur Tür. »Was Stilgefühl betrifft, sollte Santa Barbara zum Katastrophengebiet erklärt werden.«
»Wir sind hier eben eher lässig«, erklärte ich.
»Das ist ein ungemachtes Bett auch, aber trotzdem würde ich damit nicht vor die Tür gehen. Sie brauchen dringend Nachhilfe. Sprechen Sie mir nach: Prada.«
Ich warf einen Blick über die Schulter. »Wo ist Ihr Mann?«
»Kommt nach.«
Ich zog eine Grimasse. »Wenn Sie beide sich schon über Kleinigkeiten wie Kleidung streiten, wie wollen Sie dann gemeinsam ein Buch verfassen?«
»Wir streiten nicht, wir sind nur temperamentvoll.«
Wir betraten Saks Fifth Avenue, wo die Luft auf die Temperatur
von französischem Chablis heruntergekühlt war. Jax schob sich die Sonnenbrille auf die Stirn.
»Ich werde Ihnen jetzt ein bisschen was von mir erzählen. Mein Vater stammt aus Texas, meine Mutter ist aus Kuba geflohen. Ich habe Sprachen studiert und lüge mit einem bezaubernden Lächeln. Spanisch spreche ich mit kubanischem Akzent, der mir in gewissen Kreisen in Südamerika sehr von Nutzen war.«
»Warum sind Sie Spionin geworden?«, fragte ich.
»Die
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