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Radau im Reihenhaus

Radau im Reihenhaus

Titel: Radau im Reihenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Stärke gewesen.«
    »Wozu auch? Geschichte ist nichts anderes als die Umwandlung mächtiger Eroberer in kleine Fußnoten.«
    Nach diesem orientalischen Volltreffer fanden die übrigen Gärten nur noch sparsamen Beifall. Brauers hatten sich für Bambusmatten und chinesische Lampions entschieden, und Heinzes hatten die Bauernmöbel aus dem Keller geholt und auf die Terrasse gestellt. Auf Wärmeplatten dampften Rippchen und Sauerkraut, daneben standen Körbe mit Bauernbrot. Erst jetzt merkte ich, daß ich riesengroßen Hunger hatte.
    »Ob ich die Freßorgie einfach eröffne?« fragte ich Rolf leise.
    »Untersteh dich! Das ist Sache der Hausfrau!«
    Die dachte aber gar nicht daran. Während des Ankleidens hatte sie noch die Nachrichten gehört und erörterte gerade mit Alex die weltpolitische Lage. »Was bringen denn diese ewigen diplomatischen Konferenzen? Überhaupt nichts! Die finden doch nur statt, damit man sich gemeinsam auf das Datum der nächsten diplomatischen Konferenz einigt.«
    »In der Politik gibt es doch sowieso immer nur einen Weg: den anderen!« pflichtete Alex bei.
    Mein Magen hatte mit Politik nichts im Sinn. Er knurrte. Möglichst unauffällig angelte ich nach einer Scheibe Brot und kaute verstohlen darauf herum. Heinze hatte es trotzdem bemerkt.
    »Worauf warten wir eigentlich noch? Greift zu, bevor es ganz kalt wird!«
    Wittinger protestierte: »Wollen wir nicht erst mit den kalten Platten anfangen? Es ist wirklich genug da!«
    »Nee, erst brauchen wa ‘ne solide Jrundlage. Wat du hast, is wie’n Weihnachtsteller. Dreimal abbeißen, und denn kannste von dem Zeuch nischt mehr sehn!«
    Während ich mit bestem Appetit auf meinem Rippchen kaute, konnte ich endlich in Ruhe die auswärtigen Gäste betrachten. Dorles Schwester und ihren Mann hatte ich schon am Nachmittag kennengelernt. Beide sahen sehr solide aus, waren sympathisch und schienen sich bereits wie zu Hause zu fühlen.
    Frieses hatten drei Kegelbrüder eingeladen, die sich sehr jovial gaben und im Laufe des Abends nie weiter als fünf Meter vom Bierfaß entfernt angetroffen wurden.
    Wittingers wußten noch nicht, ob ihre Gäste überhaupt kommen würden, weil sie zwei Kinder besaßen und um fünf noch immer keinen Babysitter gefunden hatten, und Brauers Studienfreund wurde jeden Moment erwartet.
    Frau Heinze hatte ihre Nichte nebst Verlobtem eingeladen und natürlich einen möglichen Heiratskandidaten für Patricia. Er wohnte in Leverkusen, sah ziemlich nichtssagend aus und wurde von der potentiellen Braut kaum eines Blickes gewürdigt.
    Auch Herr Otterbach hatte sich noch nicht sehen lassen. Als möglicher Schwiegersohn war er von Frau Heinzes Liste längst gestrichen worden, nachdem sie festgestellt hatte, daß er in seinem Haus häufig Herren, niemals jedoch Damen empfing.
    »Hätten Sie das von dem geglaubt?« hatte sie mich eines Tages gefragt, als Otterbach seinem Begleiter fürsorglich die Wagentür geöffnet und erst dann hinter dem Steuer Platz genommen hatte. »Er sieht doch nun wirklich sehr männlich aus und hat einen ganz normalen Beruf. Soviel ich weiß, ist er Volkswirt.«
    »Na und? Ein Volkswirt ist bloß ein Mann, der mehr vom Geld versteht als der, der es hat. Rückschlüsse auf das Privatleben kann man daraus bestimmt nicht ziehen.«
    Jedenfalls kam Otterbach als Bewerber nun nicht mehr in Betracht, was ihm anscheinend nur recht war. Er wurde zusehends gesprächiger und ein angenehmer, hilfsbereiter Nachbar. Ohne ihn hätte ich niemals die verstopfte Regenrinne saubergekriegt. Und das mitten im schönsten Wolkenbruch.
    »Sag mal, gibt’s hier nirgends was zu trinken?« Felix würgte an seinem Sauerkraut und sah sich suchend um.
    »Was willst du denn haben? In Nummer zwei gibt’s Bier, in Nummer drei Sekt, bei uns kalte Ente, bei Alex Whisky, ob Babydoll Kamelmilch ausschenkt, weiß ich nicht.«
    »Die hat bloß Cocktails. Passend zur Dekoration. Ich fang lieber mit Bier an.« Er verschwand Richtung Bayern.
    Fast alle Männer hatten schon das Weite gesucht; dann begannen auch die Frauen mit dem Rückzug. Lediglich Conni und Mausi blieben sitzen, zum erstenmal einträchtig nebeneinander, ohne sich gleich an die Kehlen zu gehen. Sie hatten wohl eingesehen, daß die Knochen für beide reichen würden.
    Als ich mit einem Tablett leerer Teller das Wohnzimmer kreuzte, hörte ich Patricia schimpfen:
    »Findest du nicht, daß Muttis Kleid viel zu jugendlich ist?«
    »Mach dir nichts draus«, antwortete ihre Kusine, »ich wette,

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