Radau im Reihenhaus
ich auch keinem, was ihr hier macht!«
»Alex, du bist betrunken!« sagte Wolfgang ruhig.
»Quatsch, ich bin überhaupt nicht betrunken. Aber ich hätte niemals von meinem besten Freund erwartet, daß er mich mit meiner besten Freundin betrügt.«
»Der braucht einen Psychiater!« murmelte ich, aber Alex hatte es doch verstanden.
»Das könnte dir so passen! Wo die Psychiatrie das einzige Gewerbe ist, in dem der Kunde auf jeden Fall unrecht hat.« Umständlich ließ er sich in einen Stuhl fallen. »Was trinkt ihr denn da? Ist das genießbar?«
Er nahm mir das Glas aus der Hand und probierte. »Schmeckt wie Limonade. Habt ihr nichts Besseres?«
»Mir schmeckt’s!« sagte ich. »Wenn du weiterhin pro Tag eine Flasche Whisky konsumierst, wirst du dir sowieso bald die Radieschen von unten ansehen!«
»Das möchtest du wohl gern, was? Irrtum, meine Dame! Ich werde mindestens hundert. Wenn du nämlich einen Hundertjährigen fragst, dann hat er entweder sein Leben lang Alkohol getrunken oder nie einen Tropfen angerührt. Ich gehöre zur ersten Kategorie.«
Auf Isabells Terrasse raschelte es. Sekunden später schielte Babydoll über den Zaun. »Da sitzt ja wer!« schrie sie überrascht. »Komm, André, dann kann ich dich gleich vorstellen.«
Zum Übersteigen von Zäunen war ihr bodenlanges Gewand ausgesprochen hinderlich. Kurzentschlossen raffte sie es bis zum Knie, übersprang das Hindernis und landete in den Buschrosen. Laut jaulte sie auf.
»Hast du dir wehgetan, Liebling?« Ein höhensonnengebräunter junger Mann im weißen Dinnerjackett setzte mit einem eleganten Sprung über den Zaun und beugte sich besorgt über Babydoll.
»Wer ist denn
das?«
staunte Alex.
»Das ist mein Cäsar!« Isabell hatte sich wieder hochgerappelt und zog ihren Begleiter auf die Terrasse. »Eigentlich heißt er Andreas Schimanski, aber heute abend ist er für mich nur mein Cäsar!«
Cäsar war Mitte Zwanzig, hatte dunkle Haare, dunkle Augen und sicher auch einen dunklen Charakter. Er war viel zu schön, um auch noch positive Eigenschaften zu haben. Formvollendet verbeugte er sich vor Alex und Wolfgang, die ihn nur anstarrten, und formvollendet begrüßte er mich mit einem Handkuß. »Enchanté, Madame.«
»Lackaffe!« knurrte Alex vernehmlich.
Der Lackaffe zog es vor, nichts gehört zu haben.
»Warum macht ihr denn so trübsinnige Gesichter?« Isabell gab sich betont fröhlich.
»Weil du störst!«
Sie warf Alex einen vernichtenden Blick zu. »Dann können wir ja wieder gehen! Komm, André, hier sind wir überflüssig.«
»Wir kommen mit!« Kurz entschlossen stand ich auf. »Ich habe überhaupt noch nicht getanzt.«
»Na, wenn Sie auch den ganzen Abend nur hier herum sitzen…« stichelte Isabell.
»Darf ich um den ersten Tanz bitten?« fragte Cäsar-Andre höflich.
Eigentlich hatte ich gehofft, daß Wolfgang mich auffordern würde, aber der unterhielt sich angeregt mit Babydoll. Also doch! Fliegt auf ein angemaltes Puppengesicht genauso schnell herein wie alle anderen. Dabei hatte die bestimmt keine Ahnung, wer Sartre war, und Strümpfe stopfen konnte sie auch nicht!
André übte sich in Konversation. Nach einem Kompliment über mein Aussehen und mein »elegant-raffiniertes« Kleid schwärmte er von der letzten Theaterpremiere, die er besucht, und dem Skiurlaub, den er in St. Moritz (er sagte »Moriss«) verbracht hatte. Er schilderte seine Taten auf dem Tanzparkett, auf dem Sportplatz und als begehrter Gast auf zahlreichen Gesellschaften. »Ich bin das, was man als Allroundman bezeichnet«, schloß er in edler Selbstbescheidenheit. Da wurde es mir zu bunt. »Haben Sie denn schon mal ein Gruppenfoto von sich machen lassen?«
Der Hieb hatte gesessen! André erinnerte sich an seine vergessenen Zigaretten und ließ mich stehen. Ausgerechnet in Reichweite der Kegelbrüder, die mit mir Brüderschaft trinken und einen Waldspaziergang machen wollten. Bevor sie sich über die Reihenfolge einigen konnten, war ich schon geflüchtet.
Dorle verteilte Gulaschsuppe, die keiner haben wollte.
»Jetzt iß du wenigstens eine!« sagte sie und drückte mir eine Plastikschüssel in die Hand. »Vielleicht kriegen die anderen dann auch Appetit.«
»Weißt du, wo Rolf ist?« Die Suppe war kochendheiß und schmeckte hervorragend. »Ich hab’ ihn seit Stunden nicht gesehen.«
»Keine Ahnung. Vorhin ist er mit Babydoll herumgezogen. Die ist aber schon vor einer Weile verschwunden, und seitdem habe ich ihn auch nicht mehr
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