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Radau im Reihenhaus

Radau im Reihenhaus

Titel: Radau im Reihenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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meine Mutter tut noch jünger als deine!«
    Dumme Gören! Dabei stehen sie selbst zwei Stunden vor dem Spiegel, um sich zurechtzumachen wie Fünfundzwanzigjährige, und wenn sie dann fünfundzwanzig sind, brauchen sie wieder zwei Stunden, damit sie wie neunzehn aussehen!
    Auf der Suche nach Rolf lief ich Alex über den Weg. Bereits etwas schwankend umarmte er mich. »Du kommst wie gerufen! Darf ich dich mit meinem Freund bekanntmachen? Er heißt Przibulszewski, sag also lieber gleich Wolfgang zu ihm. Er wohnt am Ende der Welt irgendwo oben in Nordfriesland, ist 42 Jahre alt, Junggeselle, Mediziner, Sartre-Fan, Liebhaber von Kreuzfahrten und Pfeifenraucher. Nun such dir ein Gesprächsthema aus. Du wirst sicher gut mit ihm auskommen, er regt sich über dieselben Dinge auf wie du. Mich müßt ihr entschuldigen, ich muß noch ‘ne Kiste Whisky aufmachen.«
    Soweit ich es bei der diffusen Beleuchtung sehen konnte, war der pfeiferauchende Wolfgang ein großer, gut aussehender Mann, der mir durchaus hätte gefallen können, wenn Rolf nicht auch ein großer, gut aussehender Mann gewesen wäre. Einen Angriff auf meine Tugend fürchtete ich ohnehin nicht, denn Pfeifenraucher sind fast durchweg solide, zuverlässige Mitbürger. Sie haben an ihren Pfeifen so viel zu säubern, zu stopfen und herumzuhantieren, daß ihnen gar keine Zeit bleibt, auf Abwege zu geraten.
    »Sind Sie wenigstens ein guter Schwimmer?« Eine dämliche Frage, aber etwas Besseres fiel mir im Moment nicht ein.
    »Nein, überhaupt nicht. Meine Mutter hatte schon Angst, ich würde ertrinken, wenn ich nur vor einem Glas Wasser saß. Weshalb fragen Sie?«
    »Weil Wasser keine Balken hat.«
    Er lachte. »Schiffsreisen sind längst nicht mehr so gefährlich wie früher. Die Kapitäne sind nämlich nicht mehr berechtigt, an Bord Trauungen vorzunehmen.«
    »Sind Sie deshalb noch nicht verheiratet?«
    »Nein, deshalb nicht. Junggeselle bin ich aus Berufung. Die Ehe ist doch nur eine Institution, bei der der Mann seine Freiheit aufgibt und die Frau die Hoffnung, noch einen Besseren zu finden.«
    Ich schwieg beeindruckt. So viel Schlagfertigkeit war ich nicht mehr gewöhnt. In Monlingen bewegten wir uns eigentlich mehr in einem geistigen Niemandsland. Außerdem wäre ein unverfänglicheres Thema sicherlich besser.
    »Hat Alex Sie schon mit den anderen Gästen bekannt gemacht, oder soll ich das übernehmen?«
    Wir waren bei den Garagen angelangt. Ich wollte gerade zu Obermüllers Garten abbiegen, aber Wolfgang hielt mich zurück.
    »Muß das denn unbedingt sein? Eigentlich bin ich nur Karin zuliebe gekommen. Ich hasse nämlich diese programmierte Fröhlichkeit. Die Partys von heute sind die Salons des achtzehnten Jahrhunderts – nur: die Rolle des Esprit übernehmen die Getränke. Haben Sie übrigens…«
    Ohrenbetäubender Lärm setzte ein. Gleichzeitig hörte man rhythmisches Stampfen, was mich vermuten ließ, daß nunmehr Obermüllers geniale Bretterkonstruktion ihrer Bestimmung zugeführt wurde.
    Vorsichtig spähten wir um die Ecke. Das Ehepaar Friese versuchte sich an einem Boogie-Woogie, Obermüller und Gerlinde tanzten Foxtrott.
    »Das ist doch ein Cha-Cha-Cha!« rief Babydoll ungeduldig, griff sich den erstbesten Herrn und entdeckte beim nächsten Windlicht, daß sie ausgerechnet Rolf erwischt hatte. »Sie können doch überhaupt nicht tanzen!« (Woher wußte sie das??) Unwillig schob sie ihn zur Seite. »Alex, komm du mal her!«
    »Ich kann das auch nicht!« schrie der entsetzt und flüchtete.
    »Dann mußt du dich opfern!« Ehe Felix protestieren konnte, sah er sich auf den Bretterboden gezerrt. Es war ein umwerfender Anblick! Mit der linken Hand hielt Isabell ihr ägyptisches Gewand gerafft, mit der rechten hatte sie Felix’ Schulter umklammert, ständig bemüht, ihn am Weglaufen zu hindern. Er hüpfte wie ein Känguruh mit Gleichgewichtsstörungen.
    »Der Unterschied zwischen Ringkampf und Tanzen besteht darin, daß einige Griffe beim Ringkampf verboten sind«, kommentierte Wolfgang.
    »Daraus muß ich folgerichtig schließen, daß Sie auch fürs Tanzen nichts übrig haben?«
    »Viel jedenfalls nicht. Aber wenn Sie unbedingt etwas Gutes tun wollen, dann verraten Sie mir, wo es etwas zu trinken gibt.«
    Ich leierte noch einmal die Getränkekarte herunter und wunderte mich gar nicht, daß er sich für die kalte Ente entschied. Langsam spazierten wir zum Haus zurück.
    Das Bowlengefäß war nur noch halbvoll, aber nirgends gab es Anzeichen, daß sich jemand

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