Radau im Reihenhaus
gesehen.«
Merkwürdig. Cäsar war inzwischen wieder aufgetaucht und tanzte mit Patricia. Wolfgang unterhielt sich mit Tante Leiher, Alex umbalzte Frau Heinze – nur um mich kümmerte sich niemand. Ein blödes Fest!
Von Anfang an war ich ja gegen diese Party gewesen. Was konnte schon dabei herauskommen, wenn…
»Tanzen wir?« Wolfgang stellte meinen Suppennapf auf die Wiese und zog mich hoch. »Aber ich muß Sie warnen, viel Übung habe ich nicht.«
Er tanzte himmlisch! Nur war inzwischen die Plastikfolie zerrissen, und wenn man nicht höllisch aufpaßte, blieb man in den einzelnen Fetzen hängen. Ich paßte natürlich nicht auf, verhedderte mich mit den hohen Absätzen rettungslos in der Plane, und bevor Wolfgang mich festhalten konnte, knallte ich mit dem Kopf an eine der Gerüstleitern.
Erst sah ich Sterne, dann sah ich gar nichts mehr, und dann sah ich riesige Sonnenblumen. Sie hingen über Obermüllers Sofa. Dorle drückte mir eine Serviette mit Eiswürfeln an die Stirn, Wolfgang fühlte meinen Puls, und die übrigen Tänzer umrahmten mein Schmerzenslager in respektvoller Entfernung.
»Ganz genau mit dem Kopf«, hörte ich Frau Friese sagen. »Ob was zurückbleiben kann? Schizophrenie oder so was?«
»Wär ooch nich so schlimm! Det is der einzije Zustand, wo zwee jenauso billig leben können wie eener!«
»Sie kommt schon wieder zu sich«, sagte Wolfgang. »Am besten gehen Sie alle wieder hinaus. Sie braucht nur ein paar Minuten Ruhe.«
Dorle sah endlich eine Chance, ihre Gulaschsuppe loszuwerden, und überließ Wolfgang die Krankenpflege, ohne zu ahnen, welch geschulten Händen sie mich überantwortete.
»Eigentlich bin ich Internist«, lächelte er, »aber Erste Hilfe habe ich auch mal gelernt. Sie werden es überleben!«
»Glauben Sie an eine Wiederkehr der Toten?« Ich weiß nicht, warum, aber ich fühlte mich schon im Jenseits.
»Wenn ich es täte, würde ich schleunigst den Beruf wechseln!« Zweifelnd sah er mich an. »Ich glaube, ich werde Sie jetzt besser nach Hause bringen. Sie brauchen eine Weile Ruhe, und die haben Sie hier nicht.«
»Aber ich fühle mich schon wieder großartig!« protestierte ich lauwarm.
»Das weiß ich besser! Gibt es hier noch einen anderen Ausgang?«
Unnötig schwer stützte ich mich auf seinen Arm, während wir via Haustür das Weite suchten. Bis zu unserer Terrasse waren es ja nur wenige Schritte. Einladend schimmerte die Christbaumbeleuchtung durch die Büsche.
»Ich hab’ mir schon gedacht, daß du irgendwann einmal auftauchen wirst! Daß du noch Kinder hast, scheinst du völlig vergessen zu haben!« Rolf blitzte mich zornig an.
»Wenn ich nicht gewesen wäre, lägen deine Kinder jetzt irgendwo betrunken herum!« blaffte ich zurück.
»Blödsinn! Die schlafen. Ich bin eben oben gewesen.«
»Und wie, glaubst du, sind sie da hingekommen?«
Eine Antwort blieb er schuldig. Er hatte Wolfgang entdeckt.
»Vielleicht hast du die Freundlichkeit, mich mit dem Herrn dort bekannt zu machen.«
»Das ist Herr Pri… ich kann den Namen nicht behalten. Sag einfach Wolfgang zu ihm, ich sag’s ja auch.«
Mir wurde schon wieder schwindlig.
»Przibulszewski«, sagte Wolfgang hilfreich.
»Und darf ich fragen, Herr Pschibu… also darf ich wissen, weshalb Sie hier mit meiner Frau in trauter Zweisamkeit herumziehen?«
Isabells Cocktails zeigten Wirkung. So gestelzt redete Rolf sonst nie.
Mit knappen Worten schilderte Wolfgang meinen Unfall. »Eine leichte Gehirnerschütterung ist nicht auszuschließen, deshalb muß ich als Arzt dazu raten, daß sich Ihre Frau jetzt ins Bett legt. Als Partygast bedaure ich das außerordentlich. Ich fahre allerdings erst morgen im Laufe des Tages wieder nach Hause. Darf ich mich vorher noch nach Ihrem Befinden erkundigen?«
Er reichte mir die Hand und schenkte mir ein besonders charmantes Lächeln.
Ich lächelte zurück. »Ich bitte sogar darum!« (So etwas sagt man doch in solchen Fällen, nicht wahr?)
Rolf kochte! Immerhin besaß er noch genügend Beherrschung, den Besucher zur Haustür zu bringen. Wütend kam er zurück.
»Wer war dieser Kerl?«
»Ein Studienfreund von Alex. Wenn du mehr wissen willst, dann frag ihn selber. Ich geh ins Bett. Mir ist hundeelend.«
»Vor fünf Minuten hatte ich aber gar nicht diesen Eindruck. Wo bist du eigentlich den ganzen Abend gewesen?«
»Dasselbe könnte ich dich fragen. Aber ich tu es nicht, damit du nicht zu schwindeln brauchst.«
»Mich kannst du ruhig fragen. Ich war nebenan und habe
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