Radau im Reihenhaus
getauft – so richtig feierlich mit Sekt und Ansprache –, und danach haben sich alle nach und nach verkrümelt. Wir haben dann mit Brauers noch auf der Terrasse gegessen, aber es wäre wohl besser gewesen, wenn wir auch gegangen wären. Sie haben jedenfalls zum richtigen Zeitpunkt Schluß gemacht.«
»Nicht unbedingt freiwillig.«
»Ach, stimmt ja. Frau Obermüller erwähnte einen Sturz oder dergleichen. Man sieht ja auch etwas! Was war denn eigentlich passiert?«
Ich gab einen detaillierten Bericht meines Unfalls, verschwieg aber die medizinische Betreuung vor und nach dem Ereignis.
»Deshalb war Ihr Mann also sauer!« Frau Heinze nickte verständnisvoll. »Er lief nämlich die ganze Zeit mit einem Bullenbeißergesicht herum und hat jeden angeblafft, der ihm in die Quere kam. Sicher hat er sich vereinsamt gefühlt.«
Das wäre zwar zum erstenmal der Fall gewesen, aber ich ließ Frau Heinze in dem Glauben, Rolf hätte sich vor Sehnsucht nach mir verzehrt. Vielleicht hatte sie sogar recht, denn die größten Schwierigkeiten erlebt ein Mann erst dann, wenn er tun und lassen kann, was er will.
Herr Heinze kletterte über den Zaun und meldete »Klar Schiff«. Ich forderte ihn auf, Rolf aus dem Bett zu scheuchen und mit ihm zusammen seine hauswirtschaftliche Tätigkeit bei uns fortzusetzen, aber er winkte ab.
»Ich komme mir in der Küche eines anderen Menschen immer so verloren vor.« Dann wandte er sich an seine Frau: »Nächste Woche kaufe ich einen Geschirrspülautomaten, sonst werde ich noch selbst zu einem!«
Nunmehr entsann sich Frau Heinze ihrer mütterlichen Pflichten. Patricia hatte zwar in dem Besucher aus Leverkusen nicht den Mann fürs Leben gefunden, aber immerhin nächtigten die beiden unter demselben Dach, und es könnte ja sein, daß der künftige Herr Studienrat bei Tageslicht an Profil gewann. Bei einem angehenden Beamten in dann zwangsläufig gesicherter Position mit Aufstiegschancen und Pensionsberechtigung brauchte man doch nicht übermäßigen Wert aufs Äußere zu legen. Außerdem sahen Studenten meistens ein bißchen verhungert aus. Wenn sie keine Studenten mehr waren, änderte sich das ziemlich schnell.
Mir war inzwischen eingefallen, daß wir ja auch einen Logiergast hatten – es sei denn, Felix hätte noch in der Nacht die Rückfahrt angetreten. Hatte er aber nicht. Gleichmäßiges Schnarchen aus dem Arbeitszimmer bewies das Gegenteil.
Es klingelte. Dorle wollte wissen, ob ich ein bißchen Gulaschsuppe gebrauchen könne, es sei so viel übriggeblieben. Sie sei auch als Katerfrühstück zu empfehlen.
»Sind deine Männer schon auf?«
»Warum sollten sie? Die Kranke im Haus bin doch ich.«
Während ich sie an der Haustür davon zu überzeugen versuchte, daß ich physisch völlig in Ordnung und psychisch auch nicht angeknackster war als vor meinem Zusammenstoß mit der Leiter, hatte sich auf der Terrasse ein weiterer Besucher eingefunden. Wolfgang saß im Schaukelstuhl, trank meinen Kognak und rauchte Pfeife.
»Sollte ich je wieder an meiner medizinischen Qualifikation zweifeln, dann werde ich mich an diesen Augenblick erinnern«, sagte er fröhlich. »Sie sehen aufreizend gesund aus.«
»Bis auf die Beule unterm Auge.«
»Ich habe schon seit jeher für asiatische Gesichtszüge geschwärmt«, lachte er, »obwohl die asymmetrische Variante ein bißchen ungewöhnlich ist.«
Das war milde ausgedrückt. Der morgendliche Blick in den Spiegel hatte mir gereicht. Ich sah aus wie der Sparringspartner von Muhammed Ali.
Wolfgang schien meine Gedanken erraten zu haben. »Das ist doch bloß äußerlich und vergeht in ein paar Tagen. Mich hat’s innerlich erwischt, und das ist viel schlimmer.«
Hoppla, jetzt wurde es kritisch. Ein Themawechsel war dringend nötig. »Wieso sind Sie noch nicht abgereist? Haben Sie keine Angst, daß Alex Sie heute zum Duell fordert?«
Er nahm die Pfeife aus dem Mund, um Platz für seine Verwunderung zu schaffen. »Wegen der kleinen Ohrfeige? Das ist nicht die erste gewesen und wird voraussichtlich auch nicht die letzte gewesen sein. Alex ist ein netter Kerl, aber er trinkt zuviel!«
»Hätten Sie das nicht wenigstens gestern verhindern können?«
»Wie denn? Sein Glas ist von Natur aus leer. Außerdem hat ein erwachsener Mensch das Recht, sich auf jede ihm genehme Weise umzubringen. Nur hätte er das zweckmäßigerweise schon in Bengasi tun sollen, dann bekämen Karin und die Kinder jetzt wenigstens eine anständige Rente.«
»Ihr Zynismus gefällt mir
Weitere Kostenlose Bücher