Radegunde von Thueringen
Athies, was aus den Frauen in Saix, die durch Eure Hilfe wieder Lebensmut finden?“
„All das kann ich auch als Nonne leisten, vielleicht sogar noch besser!“
Die Kirchentür knarrte, die ersten Messebesucher kamen. Medardus zupfte an seinem Priestergewand und griff nach der Bibel. „Ich kann die Leute nicht warten lassen. Wenn Ihr wollt, könnt Ihr während der Messe hier sitzen bleiben.“
Selten hatte Medardus eine Messe so fahrig gelesen. Er verhaspelte sich beim Gebet und in seiner Predigt wiederholte er sich mehrmals. Gegen Ende des Gottesdienstes knarrte die Tür und zwei Grafen Chlothars betraten die Kathedrale.
Agnes konnte sie durch einen Spalt in der Holzverkleidung der Sakristei sehen. „Sie sind schon da!“, flüsterte sie ängstlich und deutete nach draußen.
Medardus beendete die Liturgie mit einem hastig ausgesprochenen Segen. Zwischen den hinausströmenden Messebesuchern polterten Schritte durch das Kirchenschiff.
„Gott sei mit Euch, Bischof. Wir möchten wissen, ob Ihr Bescheid wisst über den Verbleib der Königin Radegunde. Sie ist in Begleitung ihrer Vertrauten Agnes, der Frau ihres Bruders.“
Radegunde erhob sich und trat hinaus, obwohl Agnes versuchte, sie am Ärmel festzuhalten. Sie wollte den Bischof nicht in Verlegenheit bringen.
„Ich bin hier, ihr Herren. Ich bat den Bischof um den Schutz der Mutter Kirche.“
Die Grafen verneigten sich. „Wir haben den Auftrag unseres erhabenen Königs Chlothar, Euch zurückzugeleiten nach Soisson.“
„Ihr werdet ohne mich zurückreiten müssen. Ich werde bald nicht mehr die Frau eures Königs sein. Dann werde ich nur noch Gott gehören und gehorchen.“ Sie sprach freundlich, doch ihr Ton ließ keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihrer Worte aufkommen.
Die Grafen machten lange Gesichter. Den älteren von ihnen, ein grauhaariger Mann mit Namen Boderich, kannte sie als besonnenen Ratgeber Chlothars.
Er wandte sich an Medardus: „Ist das wahr?“
Der Bischof befand sich in einer echten Zwickmühle, sein Gesicht drückte tiefe Ratlosigkeit aus. Einerseits verstand er Radegundes Problem, hatte er doch ihre schicksalhafte Ehe all die Jahre verfolgt. Andererseits stellte er sich offen gegen den König, wenn er die Ehe einfach schied. Und Chlothar zum Feind zu haben, war in keinem Fall erstrebenswert.
Radegunde wollte ihm helfen, denn sie ahnte, warum er mit einer Antwort zögerte. „Du zweifelst doch wohl nicht an meinen Worten, Boderich? Ich hatte dich für klüger gehalten.“
Der Mann neigte den Kopf: „Verzeiht, Herrin, nicht Euch galt mein Zweifel, sondern dem Bischof. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er es wagt, sich so deutlich gegen unseren König zu stellen.“
Auch wenn er es nicht aussprach, war doch allen klar, was er damit meinte: Sich in diesem Falle gegen Chlothar zu entscheiden, käme einem Todesurteil gleich.
Medardus hatte sich inzwischen gesammelt und ergriff das Wort: „Das Problem stellt sich anders dar: Ich diene zwei Herren, zunächst unserem allmächtigen Gott und dann schließlich unserem König. Wer von beiden, glaubt Ihr, hat für mich höhere Priorität?“
Die Männer drucksten.
Der Bischof spürte Oberwasser und fuhr fort: „Ich bin verpflichtet, dieser Frau, unabhängig von ihrem Rang und ihrem Namen, den Schutz der Kirche zu gewähren.“
„Das sehe ich ein“, entgegnete Boderich. „Doch seid Ihr nicht verpflichtet, ihre Ehe aufzuheben.“
Medardus neigte sein Haupt und schwieg diplomatisch.
„Dann reite ich zurück und unterrichte Chlothar über den Stand der Dinge!“, sagte der jüngere der beiden Grafen und wandte sich zum Gehen. Der ältere nickte und sah Radegunde ernst an. Beinahe glaubte sie, Mitgefühl in seinen Augen zu erkennen.
„Gott sei mit Euch, Herrin!“, sagte er und lehnte sich an einen Pfeiler. „Ich werde hierbleiben und Euch bewachen. So lauten meine Befehle.“
Das Portal der Kirche schloss sich krachend. Radegunde überlegte fieberhaft. Sie war nicht sicher, ob Chlothar sich vom Kirchenasyl beeindrucken ließ. Normalerweise zeigte er große Gottesfurcht vor den Geboten der Kirche, doch wenn er in Wut geriet, konnte all seine Ehrfurcht dahin sein.
Sie ging zurück in die Sakristei, wo Agnes saß und zitterte. „Was wirst du jetzt tun?“
„Ich muss den Bischof dazu bringen, mich zur Nonne zu weihen, und zwar, bevor der junge Graf mit Chlothar zurück ist. Medardus wird nichts mehr unternehmen, wenn er dem tobenden König gegenübersteht.“
„Aber
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