Radikal führen
erwartet.
Seien Sie zurückhaltend bei Mergern und Akquisitionen. Falls Sie aber übernehmen, dann lassen Sie den Übernommenen sehr weitgehend ihre Identität. Es ist naiv zu glauben, man könnte historisch gewachsene Individualitäten ignorieren und über Nacht zu einer kooperierenden Einheit zusammenschweißen. Wer es dennoch versucht, hat anschließend oft geradezu eine Karikatur der Zusammenarbeit von Bereichen, die sich gegeneinander abkapseln und bereichsüberschreitende Willensbildungen blockieren. Ich kann mich an einen Workshop bei ThyssenKrupp erinnern, wo mir nach etwa zwei Stunden klar wurde, dass links von mir die Mitarbeiter von Thyssen saßen, in der Mitte die Kruppianer und rechts von mir – man mag es kaum glauben – die ehemaligen Mitarbeiter von Hoesch. Hoesch wurde vor über 20 Jahren von Krupp übernommen – hatte sich aber auch nach so vielen Jahren offenbar nicht kulturell homogenisiert.
Kooperationsstützende Systeme
Gemeinsames Handeln prägt weite Bereiche unseres Lebens. Nicht nur Kooperation, auch die meisten Formen von Konkurrenz, ja sogar von Konflikt sind nur im Rahmen von gemeinsamem Handeln möglich: Man muss etwas Gemeinsames haben, um etwas als trennend zu erleben.
Natürlich, in einer wettbewerbsorientierten Wirtschaft hat derjenige Vorteile, der schneller, klüger, stärker ist. Wettbewerb ist der Motor des Wachstums, Konkurrenz sondert die Spreu vom Weizen. Wettbewerb wird daher häufig mit unternehmerischer Initiative und dem Streben nach der besten Lösung gleichgesetzt. Das gilt ganz sicher für Märkte – aber auch dort nur mit der Einschränkung, dass man den Gegner nicht vernichtend schlagen darf, sonst ist das ganze Spiel aus. Innerhalb der Unternehmen aber müssen andere Fragen gestellt werden: Was ist mit der Zusammenarbeit für eine gemeinsames Aufgabe? Was ist mit dem Voneinander-Lernen? Was ist mit Hilfsbereitschaft? Was ist mit einem freundlichen, attraktiven Arbeitsklima? Was ist mit Vertrauen?
Zu den reizvollsten Aspekten der Unternehmensführung gehört daher die Wechselwirkung von Ich und Wir, von Individuum und Gemeinschaft, von Einzelleistung und Firmenleistung – bildhaft in die Formel vom »kooperativen Tiger« gefasst. Die Pendelschläge gehen mal in die eine Richtung, dann in die andere, um zuletzt doch wieder Hegel recht zu geben: »Ich, das Wir, und Wir, das Ich ist.« Das Untrennbare, das nicht weiter Auseinanderziehbare, die intime Verwobenheit von Individuum und Gemeinschaft – unüberbietbar elementar hat der Philosoph es gefasst.
Der Gründer des dm-drogerie-markt Götz W. Werner hat vorgeschlagen, den Einzelnen das »initiative« Element zu nennen und die Gemeinschaft das »tragende«. Das heißt, die Initiative geht immer vom Einzelnen aus und muss dann von der Gemeinschaft getragen werden. Individuelle Leistung ist daher im Unternehmen schwer zu isolieren, Resultate sind kaum persönlich zurechenbar. Das ist unter den Bedingungen der Zusammenarbeit nicht einmal wünschenswert. Und je höher jemand hierarchisch steht, desto indirekter ist seine Wirkung. Wer das bedauert, hat nicht verstanden, dass es die erste und wichtigste Aufgabe von Führung ist, Zusammenarbeit mit Blick auf ein gemeinsam zu lösendes Problem zu organisieren.
Es wird letztlich immer geheimnisvoll bleiben, wie genau sich eine Gesamtleistung aus der Leistung der Einzelnen speist. Klar ist jedoch: Langfristig, also abgesehen von einigen besonderen Situationen, entscheidet die Gesamtleistung über den Erfolg. Ein einzelner Verkäufer mag einen besonderen Kunden gewinnen, aber die Zusammenarbeit schließlich bringt das Jahresergebnis.
Wenn nun Führung vorrangig darin besteht, im Unternehmen Bedingungen herzustellen, unter denen Zusammenarbeit wahrscheinlich wird, wie anders sollte das möglich sein als unter möglichst weitgehender Ausschaltung des internen Wettbewerbs?
Kooperation und Wettbewerb
Der Wert eines Gutes liegt in der Bedeutung, die ihm Menschen zusprechen. Und diese Bedeutung ist wiederum davon abhängig, wie knapp es ist. Zusammenarbeit ist ein knappes Gut. Es sollte also hoch bewertet sein. Ist es aber nicht. Genauer: Sein Gebrauchswert ist hoch, aber sein Tauschwert ist niedrig. Es ist unersetzlich für ein Unternehmen, aber noch selten verdankte jemand seine Karriere seiner Fähigkeit zur Zusammenarbeit.
Denn gerade beim Thema Zusammenarbeit sind viele Unternehmen dilemmatisch aufgestellt. Auf der Appellebene heißt es mit Nachdruck: Sei
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