Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Radikal führen

Radikal führen

Titel: Radikal führen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard K. Sprenger
Vom Netzwerk:
selten sind Kooperationen mit unbekannten Partnern nötig. Der Informationsfluss läuft eher horizontal, mit kurzen Informationswegen und Umsetzungszeiten. Was insbesondere für Deutschland gelten muss, dessen »nachindustrielle Maßschneiderei« (Werner Abelshauser) in fast der Hälfte der Weltmärkte die Pole-Position sichert – vor allem im Maschinen- und Anlagenbau.
Das gemeinsame Problem vom Kunden her zu denken und auf den Kundennutzen auszurichten ist daher permanente Organisations- und Kommunikationsaufgabe der Führung. Das heißt konkret: Der Auftrag ist der Chef! Der Auftrag (als fassbares »Problem«) ist der Hauptbestandteil des Unternehmens; um den Auftrag herum muss sich das Unternehmen aufstellen. Je nach Eigenschaft des Problems variiert die Form des Unternehmens dann von klassischhierarchisch über projektorientiert bis hin zum Verzicht auf starre Strukturen, wie sie vielfach als Zusammenarbeit im fliegenden Wechsel bei der Produktentwicklung gelebt wird (Modell: Notaufnahme in Kliniken). Die Tendenz geht jedenfalls eindeutig weg von der vertikalen Hierarchie hin zu horizontalen Prozessen. Das heißt, die dominante Leitunterscheidung ist die zwischen »innen« und »außen«, nicht zwischen »oben« und »unten«. (Wir kommen später noch darauf zurück.)
  
»Das ist nicht mein Problem!« Hören Sie das häufig in Ihrem Unternehmen? Das ist fatal. Zeigt es doch, wie sehr das Bewusstsein für den Kooperationsvorrang im Unternehmen geschwächt ist. Eine solche Aussage muss abmahnungsfähig sein. Das Problem eines anderen im Unternehmen ist per Definition mein Problem.
Zunächst ist das eine Frage des »mindsets«: Biete ich mich zur Zusammenarbeit an – oder sehe ich immer nur den anderen als Lieferanten, mich selbst stets als Kunden? Aber auch eine Frage der Struktur: Es darf nicht möglich sein, dass ein Unternehmensteil erfolgreich ist auf Kosten eines anderen.
Unter dem Kooperationsvorrang muss die Beziehung innerhalb einer Leistungspartnerschaft so weit wie möglich symmetrisch sein, indem der eine die anderen genauso fördert und »ergänzt«, wie er von ihnen gefördert und ergänzt wird. Es muss also das Horizontale dominieren, weniger das Vertikale. Pathologien der Zusammenarbeit entstehen durch einseitige Monopolansprüche: Eine Seite behauptet, sie sei wichtiger, würde »eigentlich« das Geld verdienen, käme ohne die anderen aus.
Unter dem Kooperationsvorrang ist auch der Umgang mit Konflikten neu zu bewerten. In einem Krieg zwischen Nationen kann man gewinnen oder verlieren. Bei unternehmensinternen Kriegen ist jeder Sieg gleichzeitig eine Niederlage. Betrachtet man das Unternehmen als eine Überlebenseinheit, in der Zusammenarbeit Vorrang hat,dann wird das Unternehmen durch einen Konflikt als Ganzes geschwächt. Energie, Zeit und Ressourcen werden »innen« investiert, um dem internen Gegner zu schaden, statt sie im Wettbewerb um den Kunden einzusetzen. Ob nun der eine Kriegsteilnehmer gewinnt oder der andere – das Unternehmen verliert in jedem Fall. Auch ein sogenannter »Sieg« hat hier oft ein chronisches Leiden zur Folge. Aufgabe von Führung ist es, die Organisation ständig auf potenzielle Konflikte hin zu beobachten, Kommunikationsformen zur Verfügung zu stellen, in denen die unterschiedlichen Erwartungen der Beteiligten ausgehandelt werden können, und damit das Ausbrechen von »Kriegen« zu verhindern.
  
Wenn es dem Management nicht gelingt, ein Problem als gemeinsames Problem zu präsentieren, besteht kein Grund, zusammenzuarbeiten. Vielleicht gab es ja einmal ein gemeinsames Problem – und das hat sich mittlerweile aufgelöst. Und ein neues wurde nicht gefunden. Dann sollten Sie nicht die Leute zur Zusammenarbeit auffordern, sondern die Organisation überdenken. Denn wenn Sie einander nicht brauchen, dann sollten Sie sich trennen. Jedenfalls ist die Existenz der Unternehmenseinheit dann ökonomisch kaum zu rechtfertigen – und unter Umständen unsozial gegenüber den Überlebensinteressen des Gesamtunternehmens. Was nicht heißt, dass man sofort Leute entlassen sollte. Ein Beispiel: Ich erinnere ein Unternehmen, dessen Holding etwa 20 Personaler beschäftigte, die aber miteinander kein gemeinsames Problem hatten, daher weder tatsächlich zusammenarbeiteten noch zusammenarbeiten mussten. Man versetzte die Mitarbeiter dann in die Länderund hin zu den Menschen, mit denen sie ein gemeinsames Problem hatten. Dort wurde ihre Anwesenheit sehnlichst

Weitere Kostenlose Bücher