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Radikal führen

Radikal führen

Titel: Radikal führen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard K. Sprenger
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und stoßen auf die entsprechenden Schwierigkeiten bei der lokalen Realisierung. Johannes Teyssen, der Chef von Eon, bemerkte zu diesem Aspekt: »Alle wirklichen Gewinner am Markt der Zukunft müssen beides können – groß und klein.«
    Im Hinblick auf die unternehmensinterne Kooperation bleibt festzuhalten: Stärken Sie die kleinen Einheiten! Kleine Teams, befähigt durch Zugang zu sämtlichen Informationen. Das schafft größtmögliche Nähe zum Kunden. Lassen Sie möglichst viel Autonomie. Und seien Sie sehr zurückhaltend bei Großprogrammen. Die haben immer eine entindividualisierende Tendenz.
Räumliche Nähe
    Wenn es so etwas gibt wie eine allgemeine Epochentendenz, dann ist es das Abdanken der Raumordnung. Anwesenheit und Augenschein – das war einmal. Die elektronischen Medien und globale Aktivitäten sind dabei, den erlebbaren Raum und seine sozialen Strukturen aufzulösen. Der Raum, so lautet die wichtigste These des Philosophen Paul Virilio, wird ersetzt durch Information. Und nur noch der lokalzeitliche Ermüdungsgrad unterscheidet die Teilnehmer auf weltumspannenden Telekonferenzen.
    Auch im Unternehmen gibt es bald nur Zeitgenossen, kaum mehr Raumgenossen. Es wird zunehmend zweitrangig, wo man faktisch arbeitet. Das Unternehmen virtualisiert sich, wird, ironisch gewendet, zum »Flüchtlingswohnheim«. Es gibt Firmen, in denen bis zu 95 Prozent der Mitarbeiter außerhalb des Firmensitzes arbeiten. Und der multikulturelle Mehrwegmanager, der sich nicht mehr an nationalen oder kulturellen Grenzen orientiert, sondern die ganze Welt als mögliches Unternehmen begreift, ist ein teletechnologischer Wandervogel.
    Über mögliche Konsequenzen ist viel geschrieben worden. Das Kerngeschäft der Zusammenarbeit wurde dabei eher wenig beachtet. Zu den strukturellen und individuellen Bedingungen gelingender Zusammenarbeit gibt es aber einige interessante Forschungsergebnisse. Wissenschaftlich gut gestützt ist die Erkenntnis, dass Teams in der Regel deutlich produktiver sind, wenn sie gemeinsam arbeiten, als wenn jedes einzelne Teammitglied alleine arbeitet. Das nennt man »Kollegeneffekt«. Die Langsamen lassen sich von den Schnellen mitziehen. Die Teams sollten daher keinesfalls nach Leistung aufgeteilt werden; vielmehr lohnt sich die Mischung. Einen besonders guten Mitarbeiter einzustellen und in ein Team zu integrieren leistet deshalb zweierlei: erstens bringt er seine eigene gute Leistung, und zweitens steigert er mittelbar auch noch die Leistung derjenigen, die mit ihm zusammenarbeiten. Allerdings, und das ist die Voraussetzung, muss man sich sehen können: Kollegen arbeiten nur dann besser, wenn sie im Blickfeld von leistungsstarken Kollegen sind.
    Das setzt institutionelle Formen wechselseitiger Beobachtung voraus. Die Virtualisierung der Arbeitswelt stößt hier an Grenzen. So ist eine moderne Institution wie das »Home-Office« heute aus vielfältigen Gründen unersetzlich. Aber wenn man es übertreibt, wenn man es zur Permanenz erklärt, wird es gefährlich – die soziale Wechselwirksamkeit fehlt, und die Zusammenarbeit ist nicht mehr physisch erlebbar. Daher sollten auch virtuelle Teams, deren Mitglieder auf der ganzen Welt verstreut sind und dennoch »zusammen« an einer Aufgabe arbeiten, sich in regelmäßigen Abständen treffen – Telekonferenzen und permanenter E-Mail-Kontakt können die physische Begegnung jedenfalls nicht ersetzen.
    Bernd Guggenberger hat darauf verwiesen, dass nur die soziale Qualität eines Ortes verlässlich Zugehörigkeit zu stiften vermag. Der Wunsch, dazuzugehören, das Gefühl, ein Beitragender zu sein, ein gemeinsames Werk zu schaffen, das, was das Englische mit »belonging« bezeichnet: All das verdankt sich vor allem der Zugehörigkeit zu einer räumlich umgrenzten Gemeinschaft. Sie muss anschaulich sein, begreiflich. Das hat auch Konsequenzen für Architekturen.
    Man muss Unternehmensgebäude verstehen als verräumlichte Kooperationssysteme. Ihre Architektur stimuliert ganz bestimmte Erlebnis- und Verhaltensweisen und dämpft andere. Stimmt man dieser Perspektive zu, dann ist zu fragen, welche Form der Funktion folgt. Wie muss man ein Unternehmens-Haus bauen, wenn Zusammenarbeit im Zentrum der Raumschöpfung steht? Sicher nicht so, dass man riesige Distanzen und wenig einladende Passagen überwinden muss, um sich wechselseitig zu besuchen. Sicher nicht so, dass jeder sich hinter schalldichten Bürotüren verbarrikadieren kann. Vielmehr sollten Cluster wie

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