Radikal führen
für das Kommen nicht dieselben sind wie die Gründe für das Gehen. Das ist eine fundamentale Wahrheit: Menschen kommen zu Unternehmen, aber sie verlassen Vorgesetzte. Auf die Beziehung zwischen Chef und Mitarbeiter kommt es an! Wir wissen aus der Forschung, dass ein hoher Grad an Vertrauen Mitarbeiter weit mehr an ein Unternehmen bindet, als es »goldene Fesseln« je könnten. Es sei denn, Sie verwechseln bloße Anwesenheit mit Produktivität.
Negativ gewendet: Wenn das Vertrauen zwischen Chef und Mitarbeiter fehlt, dann erhöht sich die Fluktuationsrate überproportional. Daher noch einmal in aller Deutlichkeit: Nicht Belohnungen oder Sanktionen binden uns, sondern die Qualität zwischenmenschlicher Beziehung. Das gilt auch über die Chef-Mitarbeiter-Beziehung hinaus: Ein Unternehmen ohne einen Freund ist ein Feind.
Ein weiterer Grund für Mitarbeiter, in einem Unternehmen zu bleiben, besteht im Zugang zu spannenden und herausfordernden Projekten. Ein Mangel an anspruchsvollen Aufgaben demotiviert Mitarbeiter. Stattdessen muss es gelingen, die »Neugieraktivität« (so der psychologische Fachterminus) der Mitarbeiter zu befriedigen, wenn man verhindern will, dass sie über kurz oder lang die Flucht ergreifen.
Und nicht zuletzt wollen die Mitarbeiter den Namen ihres Unternehmens mit Stolz nennen können. Sie wünschen, dass der Glanz des Unternehmens sich auch auf sie überträgt. Ihr Stolz kann aus vielem erwachsen – aus Produkten und Traditionen, der Unternehmenspolitik – oder dem gesellschaftlichen Beitragihres Unternehmens (und viele Unternehmen haben Nachholbedarf darin, diesen aufzuzeigen). Fehlt es an jeglichem Glanz, dann suchen Mitarbeiter die erstbeste Gelegenheit, für ein Unternehmen mit größerer Reputation zu arbeiten. Sie tun dies spätestens dann, wenn das Unternehmen zusätzlich weder funktionierende zwischenmenschliche Beziehungen noch reizvolle Aufgaben zu bieten hat. Halten kann man Mitarbeiter dann nur noch mit Geld. So lange, bis ein Wettbewerber mehr bietet.
Kundenorientierung
Immerfort werden irgendwo in Deutschland Innovationspreise verliehen. In nahezu allen Dankesreden wird darauf verwiesen, dass das Hauptproblem für Innovation in den Unternehmen weder technischer noch kreativer Natur ist, sondern die innerbetriebliche Regelungsdichte. Schraube festziehen: zwei Sekunden; Dokumentation: zwei Stunden. Es ist oft leichter, schwierige Kundengespräche zu führen, als sich in irgendeinem Projekt mit Kollegen abzustimmen. Erst wird ein »Steering Commitee« eingerichtet, und weil da nicht alle beteiligten Unternehmensteile repräsentiert sind, wird darunter ein »Sounding Board« installiert. Da aber auch dort nicht alle mitreden können, die irgendwie mit dem Projekt zu tun haben, wird darunter auch noch ein »Support Board« gebildet. Vielleicht sollte man darunter noch ein »Stupid Board« hängen, das nur die Aufgabe hat zu fragen, ob es so viele Boards unbedingt geben müsse. Wir sind oft unser eigener Gegner. Unternehmerisches Handeln ist nicht mehr Kampf um Kunden, sondern gegen Bürokratie.
Man muss nicht Verschwörungstheorien anhängen, um zu sehen, dass große Apparate eine ausgeprägte Eigendynamik entwickeln; je größer der Apparat, desto größer das Selbstinteresse. Seit Parkinsons berühmten Studien sind wir genügend informiert über die Logik großer Organisationen: Sie sind »Selbstauslöser«, die sich eigenaktiv immer neue Regulierungen ausdenken, die wieder neue Sachbearbeiter erfordern, die sich wieder neue Regulierungen ausdenken, die wieder neue Sachbearbeiter erfordern und so weiter. Und je kleiner die Regelungslücke, desto größer der Wunsch, diese auch noch zu schließen. Man verzweifelt förmlich unter dem verbleibenden »Restrisiko«. Das Nicht-Verregelte erscheint bei immer höherem Sicherheitsniveau immer gefährlicher. Und glücklicherweise finden sich immer wieder Einzelfälle, für die »klare Richtlinien« fehlen. Je mehr also neue Policies in Kraft treten, desto lauter wird der Ruf nach weiteren Regeln. Sperren Sie hundert Manager in ein Verwaltungsgebäude ein, und in einem halben Jahr werden sie untereinander so beschäftigt sein, dass sie keinen Kontakt zum Markt mehr brauchen. Erfahrene CEOs nicken, wenn man sagt: Management beschäftigt sich zu 90 Prozent mit Problemen, die es selbst erzeugt hat.
In einem Unternehmen der Energiewirtschaft kursiert dazu folgendes Bonmot: »Wenn die ganze Welt von einem atomaren Super-GAU zerstört wäre,
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