Radikal führen
beteuert, das alles mache man doch nur, um letztlich dem Kunden zu dienen. Aber der Kunde interessiert sich wahrscheinlich nur in Ausnahmefällen für Ihre Werte, Ihre Unternehmenskultur und Ihre »internen« Märkte. Er möchte ein gutes Produkt zu einem fairen, das heißt marktdefinierten Preis. Ihm ist es (hoffentlich) auch egal, ob dieses Produkt von Christen, Islamisten, Baptisten oder Atheisten, von Moralathleten oder Immoralisten hergestellt wird. Wenn das gilt, braucht man über Werte nicht zu sprechen.
Nochmals: Das Einzige, was zählt, ist die profitorientierte Schaffung von Kundennutzen. Negativ gewendet: Wenn Sie einheitliche Werte deklarieren, um ähnliche Entscheidungen in allen Bereichen des Unternehmens wahrscheinlich zu machen, dann haben Sie den Kunden vergessen. Das ist marktferner Fundamentalismus. Sie können doch nicht firmenintern und marktignorant irgendwelche Werte priorisieren, für die Sie der Kunde nicht bezahlt! Wenn aber jeder im Unternehmen die Frage »Was will mein Kunde?« substanziell beantworten kann, dann kann man sich alle Mühen der Werte-Proklamation sparen. Die Unterschiede, die Vielfalt und auch die gegenlaufenden Interessen werden jedenfalls immer wieder verlässlich im Punkt der Kundenzufriedenheit konvergieren. Wo das nicht der Fall ist, bleibt ein Unternehmen unter seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten. Im Extremfall haben wir es dann nicht mehr mit Unternehmen zu tun, sondern mit Kirchen, Kunst oder Politik (auch »Politik« in Familien-Unternehmen). Oder eben mit solchen Unternehmen, die nicht am Markt sind oder nur so tun, als seien sie dort. In allen anderen Fällen entscheidet der Kunde, was im Unternehmen vorzuziehen und hintanzustellen ist. Es gilt dann die Goldene Regel: Behandeln Sie Kunden so, wie diese behandelt werden möchten.
Keine Unternehmenskultur kann wirklich effizient sein, die sich nicht weitgehend von selbst versteht. Man muss in ein Unternehmen eintreten können und sofort arbeitsfähig sein. Wenn man erst einen Einführungskurs in Werte und Üblichkeiten des Unternehmens besuchen muss, dann kann man sicher sein, dass sich das Unternehmen recht weit vom Markt entfernt hat. Dark clouds ahead! Berechenbarkeit und Starrheit machen ein Unternehmen unbeweglich. Und damit langfristig kundenfeindlich. Es gibt nur eine Frage, die zu beantworten ist: Wer ist mein Kunde und was braucht er? Der wahre Gegensatz ist also nicht dieser oder jener Wert, sondern interner Fundamentalismus oder Kundenorientierung.
Die Transformation des Unternehmens wird also nicht über eherne und ewig gültige Werte gelingen, sondern über den Kunden. Erinnert man sich an den Ur-Grund der Unternehmensgründung, dann kann die Lösung nur heißen: Denken Sie die Organisation vom Kunden her und tun Sie alles, um seine Bedürfnisse zu befriedigen. Welche Ordnung entsteht, wenn sich der externe Kunde einen Produzenten sucht? Wie zentral oder dezentral Sie sind, hängt ab von den Kundenerwartungen – und nicht von kurzsichtigen Effizienzbestrebungen. Und seien Sie skeptisch, wenn jemand vom »Ausrollen« von Initiativen spricht – meist meint er damit Prozesse, die von innen nach außen gedacht sind. Und eben nicht anders herum.
Man muss sich also erinnern an die wirtschaftliche Wurzel des Unternehmens und daraus alles andere ableiten. Das bedeutet permanentes Beobachten der Kunden und der Märkte. Weder sind die Produkte festgeschrieben, noch die Herstellungsverfahren, weder das Personal, noch die Finanzierung, noch die Organisation, noch der Ort, noch die Rechtsform! Weil nichts so bleibt, wie es ist, weil nichts garantiert ist, muss sich das Unternehmen immer wieder neu erfinden.
Wenn jeder im Unternehmen weiß, wer sein Kunde ist und was dieser braucht, dann weiß er auch, was er tun muss, und ist sicher einfallsreicher als jede zentrale Steuerung. Alle Einheiten des Unternehmens müssen in der Lage sein, sich mit Blick auf den konkreten Kunden vor Ort weitgehend selbst zu führen. Denn dieser Suchprozess, das wusste schon von Hayek, ist intelligenter als jedes Top-down-Design. Dann muss man auch nicht am grünen Tisch markt- und wirklichkeitsferne Gesamtarchitekturen entwerfen. Natürlich, die Organisation eines Unternehmens kann geplant sein; besser ist sie (weil kundenorientierter), wenn sie sich ergibt. Wenn sie den Kundenwünschen folgt.
Gute Unternehmensstrukturen, Produkte und Dienstleistungen kommen also erst zustande, wenn man den Kunden an ihrer Produktion
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