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Radikal führen

Radikal führen

Titel: Radikal führen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard K. Sprenger
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wenn sie ein zu gutes Gedächtnis haben. Dann glaubt man nämlich, den Gang der Marktbedingungen voraussagen zu können, und ist nicht offen für das Überraschende, das Nicht-Vorhersehbare. Die Erinnerung verhindert die Wahrnehmung der Gegenwart. Dies gilt besonders, wenn die heute Handelnden schon damals dabei waren. Dann glauben sie sich durch Erfahrung unverletzlich.
    Aber tradiertes Wissen hat keine Erfolgsgarantie für morgen. Es gibt nur sehr wenige Unternehmen, die ihrer Umwelt die Taktung vorgeben können. Dominant ist man nur für kurze Zeit, dann hat sich der Vorsprung verbraucht. Denn der Markt ist ein ständiger Enttäuschungsgenerator. Das einst Außergewöhnliche wird gewöhnlich. Glücklicherweise. Scheitern ist erwünscht; im Sinne des Kunden – wenn man so will, des Gemeinwohls. Und es gibt neue Chancen: Auch der Verlierer hat immer wieder die Möglichkeit, sich zum Gewinner zu machen.
    Es liegt also im Wesen des Erfolgs, das er begrenzt ist. Der für seine Urteilskraft berühmte Steve Jobs hatte fast so viele Misserfolge wie Erfolge – nur, seine Misserfolge sind alle vergessen. Im Wirtschaftsleben setzt jeder Erfolg eine Dynamik in Gang, die ihn bedroht und zu Fall bringen will. Und es letztlich auch tut – und das kann sehr schnell gehen, wenn plötzlich ein anderes Unternehmen den Zeitgeist auf den Punkt bringt. Siehe Apple und – dagegen – Nokia.
    Auch wenn es heute noch so unwahrscheinlich klingt, gehen Sie davon aus: Was Sie hierher gebracht hat, wird Sie nicht dorthin bringen. Jedenfalls nicht sicher. So, wie wir den Nachmittag unseres Lebens nicht mit dem gleichen Programm leben können wie den Morgen, so kann auch die Zukunft des Unternehmens nicht mit den Mustern der Vergangenheit gemeistert werden.
    Je schneller sich die Umwelt ändert, desto schneller haben sich aber unsere Erfolgsrezepte überlebt. Im Wirtschaftsleben müssen wir deshalb radikal denken: Die Wahrscheinlichkeit, dass wir morgen immer noch erfolgreich sind, ist eher klein. Und wird zunehmend kleiner.
Erfolgsrezepte: Ursache, Wirkung und das Problem der Zukunft
    In Search of Excellence  – das ist der Titel des erfolgreichsten Managementbuchs aller Zeiten. Die Autoren Tom Peters und Richard Waterman stützten Anfang der 80er Jahre ihre Kernaussagen auf die anekdotische Schilderung der Großtaten erfolgreicher Führungskräfte. Das gab den Startschuss. Seitdem bemüht sich eine weit ausgreifende Ratgeber-Literatur um die Ausschaltung des Zufalls, will Erfolg planbar machen. Ein riesiger Markt. Idealtypisch dafür sind Berater, die bei aktuell erfolgreichen Unternehmen bestimmte Faktoren isolieren und Muster zu erkennen glauben. Wenn sie lineare Triumphgeschichten erzählen, dann versprechen sie Erfolg – als Rezept ausgefertigt.
    Entscheidend für diese Logik ist, dem Erfolg nachvollziehbare Kausalitäten zu unterlegen: »Weil« Unternehmen dies oder das tun, sind sie erfolgreich. So hat die Beratungsindustrie mittlerweile einige Hundert Erfolgsfaktoren identifiziert – allein diese Zahl sollte nachdenklich stimmen. Wie oft schon wohnte ich Präsentationen bei, in denen schlankweg Korrelation mit Kausalität verwechselt wurde. Gerne erkennt man dabei in Personen die Ursache für den Erfolg eines Unternehmens: Dieser oder jener sei halt ein Stratege, da bliebe der Erfolg nicht aus. Aber nicht minder oft werden Personen für Misserfolge verantwortlich gemacht. In gleicher Weise wird oft behauptet, eine starke Unternehmenskultur führe zu starken Ergebnissen. Der Umkehrschlusswird aber ebenso oft beobachtet: Starke Ergebnisse führen zu einer starken Unternehmenskultur. Was ist hier Ursache? Was ist Wirkung? Ähnlich verhält es sich – horribile dictu – mit dem Zusammenhang von Arbeitszufriedenheit und Produktivität von Mitarbeitern. Es gibt keine einzige Studie, die ein ursächliches Verhältnis von Arbeitszufriedenheit und Produktivität zwingend nachgewiesen hätte. Es kann nämlich auch genau umgekehrt sein: Produktivität macht zufrieden. Und (leider) gilt auch: Unzufriedene Mitarbeiter können sehr produktiv sein.
    Übersehen wird zudem ein Aspekt, den jeder kalkulieren sollte, der sich auf dem Kapitalmarkt bewegt: Die ausgewiesenen Erfolge sind immer die Erfolge der Vergangenheit. Es wäre naiv, sie einfach in die Zukunft fortzuschreiben. Und doch wird das beharrlich getan. Noch einmal Peters und Waterman: Dreißig Jahre nach ihrem Erfolgsbuch haben wir die Erfolgsformel für Unternehmen immer

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