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Radikal führen

Radikal führen

Titel: Radikal führen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard K. Sprenger
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Störung ist eine Ressource zur Revitalisierung der wirtschaftlichen Kraft, um nicht dekadent zu werden, nicht zu verweichlichen, sondern anpassungsfähig zu bleiben. Damit ist nicht nur das kluge Reagieren auf krisenhafte Umweltveränderungen gemeint. Gemeint ist vielmehr die präventive Vorbereitung der Organisation auf mögliche Veränderungen. Ein aktives Musterbrechen. Eine Alarmierfunktion, die Wachsamkeit, Vorbereitung auf Neues und eine Dauerskepsis am Weiter-so signalisiert. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, muss Führung in homöopathischen Dosen Störungen in die Organisation einführen. Sie muss das Unternehmen in optimistischer Absicht beunruhigen. Sie füttert das Unternehmen mit Aktionen, mit denen es nicht rechnen kann und die dennoch handhabbar sind. Weil nur die permanente Austragung von Krisen es fit hält. Bewusst herbeigeführte Krisen zur Aktivierung der Resilienz. Die Betonung liegt dabei auf »bewusst«. Man kann es auch »Management by crisis« nennen – Steve Jobs schien das intuitiv zu beherrschen. Der nervte sein Unternehmen ohne Unterlass – zu beispiellosen Erfolgen.
    Führung ist Politik der Unterbrechung. Sie entwirft eine Unternehmens-Möglichkeit, die mit dem, was ist, bricht. Weil es schlicht überlebenswichtig ist, die Routinen immer wieder aufzubohren, die Strukturen im Unternehmen regelmäßig in Frage zu stellen, die Leute von den Stühlen zu schieben. Die Erfolgsrezepte der Vergangenheit ehrt man, indem man sie hinter sich lässt.
    Wer erst in der Krise reagiert, kann allenfalls improvisieren, im schlimmsten Fall nicht mal das. Wenn Sie den Erfolg als bleibende Errungenschaft betrachten und damit gleichsam als ein Ende, dann wird er bald vergehen. Der Erfolg muss daher zu einem neuen Anfang werden, zu einem neuen Start, der den alten Erfolg überholt. Nur wenn der Erfolg ein neuer Anfang ist, kann er nachhaltig sein. Das bekannteste Beispiel dafür liefert sicher Google, das den gesamten Markt, insbesondere auch seinen einstigen Widersacher Yahoo, durch permanente Weiterentwicklung des Produktportfolios vor sich hertreibt. Das sichere Zeichen, zu den Besten zu gehören: alles dafür tun, noch besser zu werden.
    Dietrich Mateschitz, der den Energietrunk Red Bull mit einer raffinierten Werbe- und Sponsoringstrategie zur Weltmarke machte, beschreibt sein Unternehmen so: »Ich weiß nicht, ob es eine Philosophie ist oder bereits zwanghaft in fast schon klinischer Ausprägung: Wir stellen aus Prinzip alles in Frage. Wir gehen davon aus, dass nicht alles, was schon immer irgendwie gemacht wurde, so auch richtig ist. Dann fragen wir uns: Gibt es auch andere Wege, intelligentere, kreativere, lustigere, günstigere?«
    Ich möchte noch einen Schritt weiter gehen, auch wenn es scheinbar widersinnig klingt: Störung ist per se ein Wert. Wieso gibt es Unternehmen, die sich leichter und schneller verändern, sich sogar von Zeit zu Zeit neu erfinden? Betrachten wir langlebige Unternehmen, die besser mit Veränderungen umgehen als andere, betrachten wir zum Beispiel IBM, dann sehen wir: Es geht um das Stimulieren, das Wachhalten. IBM ist seit einhundert Jahren ein herausragendes Beispiel dadurch, wie es Krisen genutzt hat, sich fundamental zu ändern. So hat es sich mutig dazu durchringen können, Geschäftsbereiche abzustoßen, die zwar noch ertrags-, aber nicht mehr zukunftsträchtig waren. Nicht zuletzt deshalb stand der Konzern – im Gegensatz zu vielen Konkurrenten – fantastisch da, als der scheidende CEO Sam Palmisano im Januar 2012 den Stab an Virginia Rometty weitergab. In seine Amtszeit fielen der Abschied vom PC-Geschäft, der Ausbau des Software- und Dienstleistungsbereichs und die Akquisition von PricewaterhouseCoopers. Nach Aussage von Rometty habe er ihr nur einen Rat gegeben: »Du musst den Konzern einfach immer wieder neu erfinden.«
Die Spannung zwischen Zukunftsfähigkeit und Transaktionskosten
    Störungen haben eine ambivalente Wirkung. Einerseits initiieren sie Veränderungen, ohne die kein Lernen, keine Entwicklung und keine Neuanpassung möglich wären. Es lohnt sich, das zu wiederholen: Ohne Krise keine Veränderung! Sie können keine Change-Prozesse einleiten, wenn sich das Unternehmen in einer profitablen Komfortzone suhlt. Andererseits bringen Störungen immer Ineffizienzen mit sich. Sie beeinträchtigen Prozesse und Strukturen, die bis dahin funktioniert hatten und bei denen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abzusehen ist, dass sie zukünftig nicht mehr

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