Radikal führen
funktionieren könnten. Zudem: Es gibt schon genug Unruhe! Die eine Reform ist noch nicht umgesetzt, da wird schon die nächste entschieden. Der Störungsauftrag mit dem Ziel der Resilienz steht also in Spannung zur Kernaufgabe »Transaktionskosten senken«. Mehr noch: Viele wirklich gute Vorschläge bedrohen sogar das Kerngeschäft – man denke an das Internet und den Handel, oder an Handys und das Festnetz. Sie brauchen zudem geduldiges Geld. Damit ist auch klar: Resilienz ist eine Langfristperspektive. Sie fragt: »Was kostet uns Effizienz?« Es ist ja nicht so, als sei Effizienz kostenlos. Sie kann frustrieren; sie kann alles das schwächen, was ein Unternehmen zukunftsfähig macht. Resilienz steht damit unter den Börsen- und Medienbedingungen der letzten Jahre quer zum kurzfristigen Shareholder-Value-Denken. Will man die Störung verstetigen, dann aktiviert man im Regelfall den Widerstand der oberen Managementebenen, die unter hohem Erfolgsdruck stehen und kurzfristig Gewinne maximieren müssen. Das tun sie, obgleich sie insgeheim wissen, dass diese Praxis investitions- und innovationsfeindlich, sprich: zukunftsfeindlich ist. Aber die Share-Holder sind ja – wie man in den USA zu sagen pflegt – »Share-Flipper«, die ihre Aktien selbst kaum länger als durchschnittlich zehn Monate halten. Der Shareholder-Ansatz macht also ein zukunftsfreundliches Verhalten von Managern strukturell unwahrscheinlich.
Wir müssen daher balancieren; wir müssen uns zwischen Euphorie und Nostalgie hindurchschlängeln. Die Euphoriker leben immer nur im Möglichen, im Zukünftigen. Und versäumen bisweilen die Gegenwart. Das radikal Mögliche ist aber im Ergebnis immer noch nichts. Deshalb ist es gefährlich, die Vergangenheit einfach abtun zu wollen, also geschichtslos zu werden. Mit einem radikalen Sich-Loslösen vom Strom der Kontinuität wird die Anfälligkeit für Widersachermächte immer größer. Die Nostalgiker hingegen wollen alles beim Alten lassen. Sie versäumen die Zukunft, weil sie sich diese nur als verlängerte Vergangenheit vorstellen können. Es geht hier also wieder um das Maß. Es ist nicht unintelligent, zwischen »exploit« und »explore« zu pendeln (wie James March vorschlägt) – also professionell und routiniert die Effizienz zu steigern und Abläufe zu perfektionieren, aber immer wieder auch neue Alternativen auszuprobieren. Und sich so Neuem zu öffnen. Wir brauchen mal Standbein, mal Spielbein. Will man das entscheiden, dann ist das Reagieren auf Veränderungen wichtiger als das Befolgen eines Plans. Das ist jedoch kein Entweder-oder. Es heißt lediglich, dass Pläne hilfreich sein können – aber der andere Wert ist höher zu schätzen. Ein Zuviel von sklavischer Replikation (unsere Neigung zu wiederholen, immer nur mehr vom selben zu erzeugen) kann genauso tödlich sein wie ein Zuviel an Neuem. Es gilt, zwischen Transaktionskosten und der Herstellung von Zukunftsfähigkeit auszutarieren. Je schneller die Umweltbedingungen sich ändern und lebende Systeme in Überlebenskrisen taumeln, desto mehr prämieren sie jedoch das innovative Prinzip, die Abweichung.
Derzeit dominiert in den Unternehmen die Risikoorientierung. Was eine Gefahr für das Überleben und die Weiterentwicklung bedeutet. Denn die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens hängt nicht primär vom Umgehen mit Risiken ab, sondern vom Umgehen mit Chancen.
Wir sollten uns also von Ineffizienzen nicht den Blick auf das Grundsätzliche verstellen lassen: Zukunftsfähige Systeme sind immer nervös. Sie pressen nicht nur die Investitionen der Vergangenheit aus, sondern entwickeln sich unaufhörlich in eine aussichtsreiche Richtung. Aus der Bewegung heraus läuft es sich leichter in die Zukunft. Dabei muss dies so effizient wie nur möglich geschehen. Aber nicht effizienter. Führung darf nicht die Möglichkeiten der Zukunft verspielen. Was in guten Zeiten den Ertrag schmälert, erhält in schlechten am Leben.
Institution
Zelte statt Paläste
Gibt es eine optimale Organisationsform für Zukunftsfähigkeit? Wie können wir das Unternehmen so aufstellen, dass Veränderung als Rückenwind erfahren wird, nicht als Gegenwind?
Emile Durkheim schrieb 1895 die prophetischen Worte: »Nichts hindert einen Industriellen daran, mit den Methoden eines anderen Jahrhunderts zu arbeiten. Er soll es aber nur tun. Sein Ruin wäre sicher.« Es ist in der Tat die Frage, ob die Organisation ihr Programm heute noch einlösen kann, das im vorigen Jahrhundert
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