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Radikal führen

Radikal führen

Titel: Radikal führen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard K. Sprenger
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Signale zu relativieren oder zu ignorieren. Es ist doch alles immer wieder gut gegangen! Doch diese scheinbar harmlosen Vorkommnisse können die Vorboten von großen Verwerfungen sein. Sie treten dann ein, wenn sich Bedingungen leicht verändern oder einen schlicht das Glück verlässt.
    Es ist für ein Unternehmen sicher hilfreich, solche punktuellen Auslotungen breit zu fächern, das heißt auf allen Märkten ein Frühwarnsystem einzurichten, das Veränderungen seismografisch registriert und rückmeldet. Wir müssen dabei sowohl an Risiken als auch an Chancen denken. Chancen auf neu entstehenden Märkten, die früh zu erkennen, zu besetzen und zu gestalten sind. Oder Risiken für das bestehende Geschäftsmodell, welche zunächst vielleicht nur zu kleineren Anpassungen führen. Aber sie sind gleichsam das Training für den möglichen Ernstfall, den viele Unternehmen ja im Jahre 2009 zu bewältigen hatten.
    Ein solches Frühwarnsystem ist das sogenannte »Crowdsourcing«, das direkte Einbeziehen von Ideen und Hinweisen diverser Kunden- und Expertengruppen. Sie vergrößern damit gleichsam die Oberfläche des Unternehmens nach außen. Sie können aber auch intern ein Frühwarnsystem aufbauen – als Vernetzung über Abteilungsgrenzen hinweg. Sie können mit ausgewählten Menschen aus allen Bereichen des Unternehmens im Gespräch bleiben. Sie können ein großes Ohr werden: genau hinhören, was »die anderen« umtreibt, welche Probleme sie haben, was sie von der Zukunft erwarten. Und man darf dabei keine eigenen operativen oder finanziellen Interessen verfolgen.
    Will man den achtsamen Umgang mit schwachen Signalen unternehmenskulturell verankern, dann stellen sich Fragen: Ist das Offenlegen schlechter Nachrichten institutionalisiert – oder wird es an den Mut des Einzelnen delegiert? Gibt es Einzelne oder Gruppen, die auf Störungen, Fehler und negative Trends spezialisiert sind? Ist die Auseinandersetzung mit Alternativen gewohnheitsmäßig oder ausnahmsweise? Werden bei Fehlern Schuldige gesucht (um den Rest der Organisation zu entschuldigen), oder nutzt man sie zur Weiterentwicklung? Oder, noch fundamentaler: Wie gehen wir mit Meinungsvielfalt um? Mit Kritik? Mit Zweifel?
    Sieger zweifeln nie? Lassen Sie sich von niemandem einen solchen Unsinn erzählen! Sie sollten sich geradezu fürchten vor demjenigen, der keinen Zweifel kennt. Ein Sieger muss vielmehr den »methodischen« Zweifel kultivieren. Er muss den Grat wandern zwischen sicherem Handeln und entschiedener Fehlerkorrektur. Er muss einerseits fest von seiner Idee überzeugt sein und andererseits genügend Flexibilität besitzen, neue Analysen zu berücksichtigen und schlechte Ideen aufzugeben. Was aus Siegern Verlierer macht, ist das Verschwinden dieses Zweifels – wenn man sich zu sicher fühlt und blinden Optimismus pflegt, wie er vor allem für Männer typisch ist. Hinzu kommt die Neigung, bestehende Entscheidungen mit selektiv ausgewählten Daten zu untermauern, negative Daten hingegen zu vernachlässigen. Sie machen denselben Fehler, den viele Kapitalanleger machen: Wenn sich die Anlage-Umgebung ändert, steigen sie nicht etwa schnell aus den Anlagen aus, sondern halten an ihnen oft jahrelang fest, weil sie sich aus emotionalen Gründen den Verlust nicht eingestehen wollen. Und vergrößern so ihren Verlust, respektiveverpassen lohnendere Investments. Dieter Zetsches Trennung von Chrysler war sicher keine Herzensentscheidung, eher Pragmatismus. Und ein erfolgreicher: Chrysler fuhr mit Karacho in die Insolvenz – und hätte Daimler wohl mitgerissen. Somit gilt: Unternehmen brauchen Krisen. Krisen haben eine Entkalkungsfunktion – sie zwingen Unternehmen zum Lernen und Besserwerden. »Never miss a good crisis« – das ist die Zeit, in der sich etwas bewegt.
Von der Zukunft her denken
    Niemand weiß, wie die Zukunft aussehen wird, aber sie ist bereits heute wirksam. Wir wissen nur: Vieles von dem, woran wir uns gewöhnt haben, wird sich ändern. Und nur, wenn wir der Zukunft, dem Werdenden, heute schon Raum geben und ihn eben nicht mit Gewordenem möblieren, ist langfristiges Überleben möglich. Wir müssen uns vorausschauend selbst erneuern. Es gilt, von der Zukunft her zu denken, und, gleichsam von dieser zurückblickend, in der Gegenwart angemessen zu entscheiden. Im Pharmabereich etwa ist es möglich, dass nur noch solche Medikamente von den Krankenkassen rückvergütet werden, deren Wirksamkeit individuell nachgewiesen wurde. Und im

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