Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Radikal führen

Radikal führen

Titel: Radikal führen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard K. Sprenger
Vom Netzwerk:
entsteht in der Wechselwirksamkeit mit Ihnen etwas völlig Unerwartetes. Oder gar Besseres! Die Chance sollten Sie nicht verspielen.
    Viele Auswahlmethoden sind Misstrauensexzesse. Wenn Sie etwas über einen Bewerber »herauskriegen« wollen, wenn Sie inquisitorisch fragen, wenn Sie Fallen stellen – dann ist die Grundstimmung Misstrauen. Misstrauen wird sich im sozialen Zusammenhang immer bestätigen. Das ist kein guter Start für den Auswahlprozess. Beginnen Sie besser ein Gespräch mit dem Satz: »Lassen Sie uns schauen, ob wir zueinanderpassen. Wir wollen nichts verheimlichen und nichts beschönigen und gehen davon aus, dass Sie das auch nicht tun.« Sie werden sehen: Die Situation entspannt sich. Eine gute Basis für das Ausloten einer gemeinsamen Zukunft.
    Zu empfehlen ist auch der Verzicht auf Frage-Antwort-Kaskaden. Es geht doch um ein gemeinsames Kennenlernen. Ein offener, dialogischer Rahmen bietet hierfür bessere Bedingungen. Sie müssen daher nicht unbedingt fragen, sondern können auch einfach etwas sagen und damit den Dialog in Gang halten (und vergessen Sie methodischen Quatsch wie »offene« und »geschlossene« Fragen). Kommen Sie ins Gespräch! Reden Sie miteinanderauf Augenhöhe, wobei der Redeanteil des Bewerbers über dem Ihren liegen sollte. Die Inhalte des von ihm Gesagten sind weit weniger wichtig als die Gefühle, die bei Ihnen während des Gesprächs entstehen. Ich würde nicht so weit gehen, dass es belanglos ist, worüber Sie sprechen – ein Gespräch entlang des Anforderungsprofils ist sicher einer Diskussion über Urlaubserfahrungen vorzuziehen -, aber Sie sollten den Inhalt nicht übergewichten.
    In hohem Maße strittig ist bis heute geblieben, in welchem Maße Urteile rational und irrational bestimmt sind. Ich wüsste jedenfalls nicht, wie eine Entscheidung zwischen diversen Bewerbern anders ausfallen könnte als unter wesentlicher Beteiligung Ihrer inneren und spürenden Stellungnahmen – also Ihrer Intuition. Das ist jedenfalls meine Erfahrung: Vertrauen Sie Ihrem Bauchgefühl. Vor allem, wenn es sich kritisch meldet.
    Ob ein Mitarbeiter »passt«, können Sie auf verschiedene Weise prüfen. Das beste personaldiagnostische Werkzeug wird aber äußerst selten genutzt: die Probezeit. Es gibt kaum einen Manager, der die Probezeit eines neuen Mitarbeiters gewissenhaft vorbereitet, begleitet und auswertet. Hat der Mitarbeiter erst einmal angefangen, dann geht man davon aus, dass er schon »irgendwie« passen und sich vernünftig einarbeiten wird. Weder wird der Mitarbeiter während der Probezeit intensiv beobachtet, noch wird das Ende der Probezeit überhaupt registriert. Und schon ist der neue Mitarbeiter »drin«. Das ist grob fahrlässig. Dabei gibt es keine Methode, die der Probezeit an Prognosegenauigkeit überlegen wäre. Man muss kein Freund Ferdinand Piechs sein, um dessen Erfahrung zuzustimmen: Ob jemand etwas tauge, könne man erst beurteilen, wenn er den Job tatsächlich macht. Deshalb sollten Sie die Probezeit seriös vorbereiten, begleiten und auswerten. Und es muss von Beginn an klar sein: Erst nach der Probezeit wird der Mitarbeiter eingestellt! »Gate keeping« heißt dabei: im Zweifelsfall gegen den Kandidaten. Fragen Sie erfahrene Führungskräfte: Sie alle werden Ihnen bestätigen, dass sich das »Wir kriegen das schon irgendwie hin« selten bewahrheitet hat. Wasfür die Musik- und Buchindustrie gilt, das gilt auch hier: Erfolgreich werden Sie durch das, was Sie nicht nehmen.
    Wichtig ist ferner, dass Sie realistisch rekrutieren. Für ein Beispiel gehen Sie von folgender Situation aus: Die Personalmärkte sind leergefegt, Sie müssen dringend eine Position besetzen, haben einen extrem geeigneten Kandidaten vor sich und sind selbst begeistert von Ihrem Unternehmen. In dieser Situation lädt alles dazu ein, beim Bewerber hochgespannte Erwartungen zu wecken – die dann in der Einarbeitung nicht selten irreparabel enttäuscht werden. Schon die Stellenanzeige, in der junge, dynamische, hoch qualifizierte, durchsetzungsfähige, verantwortungsbewusste, teamfähige (und so weiter, und so weiter) Mitarbeiter mit Führungsqualitäten gesucht werden, weckt die Erwartung anforderungsreicher Aufgaben. In der strengen Selektion des Auswahlverfahrens werden solche Erwartungen weiter genährt. Und dann finden sich neue Mitarbeiter häufig in einer Tätigkeit wieder, die viel Routine, aber nur ein geringes Maß an Herausforderung und Gestaltungsmöglichkeiten bietet.
    Deshalb:

Weitere Kostenlose Bücher