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Radikal

Radikal

Titel: Radikal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yassin Musharbash
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und zu.«
    »Und ab und zu reist auch einer aus Berlin ab und geht nach Waziristan.«
    »Ja, soll vorkommen. Hab ich auch gehört. Aber weißt du noch was, was ich glaube? Dass der Verfassungsschutz die schickt. Damit hier immer schön Alarm ist.«
    »Das würden die gerne. Glaube aber nicht, dass sie das hinkriegen.«
    »Soll ich dir mal was sagen? In dieses Internetcafé kommen ’neganze Menge von den Typen, vor denen ihr so eine Scheißangst habt. Wütende kleine Ölaugen, mit Bart, ohne Bart, die ganze Versammlung. Aber deine Internet-Penner kennt hier keiner.«
    »Sicher?«
    »Glaubst du, ich würde das nicht mitkriegen?«
    »Keine Ahnung.«
    »Wir checken’s aus. O.   k.? Los, sag mir drei Websites.«
    »Wie bitte?«
    »Ja, sag mir drei Adressen, wo diese Penner ihre Videos raushauen. Nur drei. Oder haste die Adressen nicht dabei? Wir gucken nach.« Fadi begann, an seinem Rechner herumzuklicken. »Hier, ich kann’s sofort prüfen. Wir nehmen die letzten drei Tage, o.   k.? Drei Adressen, drei Tage.«
    »Ich weiß nicht.«
    » Yallah , ist doch bestimmt spannend für dich, Terrorjäger , drei Adressen, los!«
    Zögernd schrieb Samuel drei URL – Adressen auf den Block, den Fadi ihm hinhielt. Die beiden stellten sich nebeneinander vor den Rechner, und Fadi ließ die Adressen durch das System laufen. Sumaya wusste nicht, was sie sich wünschen sollte. Doch, sie wusste es. Als sie das Ergebnis an Fadis Gesicht ablesen konnte, wusste sie, was sie sich gewünscht hätte. Dass er nicht gedemütigt worden wäre.
    »O.   k., Terrorjäger , dann hat halt einer von den kleinen Wichsern hier deine Scheißseiten angeguckt.«
    »Sieht so aus, ja.«
    Was geschieht mit uns, fragte sich Sumaya, als sie alle drei stumm nebeneinanderstanden und niemand wusste, was er sagen sollte. Ich will das nicht. Ich will, dass wir miteinander reden und lachen und essen. So hatte ich mir das vorgestellt. Dass ich ein Ganzes werde, und nicht in lauter Stücke zerfalle. Ist denn wirklich alles nur eine große Lüge? Kreuzberg eine Lüge, Lutfis Ideen eine Lüge, Fadis Freundlichkeit eine Lüge, Samuels Lässigkeit eine Lüge? Wieso hat er es nicht gestoppt, weggelacht, verhindert? Wieso habe ich es nicht gestoppt? Wer trägt das alles in mein Leben? Wieso muss ich mich auf einmal ständig entscheiden, eine Seite wählen, eine Ideewählen – und Angst haben, jedes Mal Angst haben, etwas zu verlieren?
    ***
    Fadia Latif hatte die Koffer schon gepackt. Sie standen ordentlich nebeneinander an der Wohnungstür. Ihr Flug würde in zwei Stunden gehen, gleich würde ein Taxi sie und die beiden Mädchen abholen; die Beisetzung sollte noch am Abend in Kairo stattfinden. Eine Pause war entstanden, nachdem die Witwe des Abgeordneten ihre Ausführungen beendet hatte, aber Samson wusste bereits, was er gleich sagen würde. In Wahrheit hatte er den Gedanken schon seit Tagen hin und her gewendet. Gut möglich, dass es ausgerechnet Fadi gewesen war, der ihn noch zwingender hatte erscheinen lassen. Und Sumaya? Er blickte zu ihr herüber. Schön wie nie, übermüdet, die dunkelbraunen Augen sorgenvoll auf ihn gerichtet, saß sie neben Fadia Latif. Natürlich hatte auch sie bei seinem Entschluss eine Rolle gespielt.
    Fadia Latif hatte auf Sumayas Handy angerufen, als er und Sumaya noch bei Fadi gewesen waren.
    »Samuel, wir müssen sofort zu Fadia, es ist wichtig.«
    »O.   k., natürlich.«
    Es war ihm nicht unlieb gewesen, mit einer guten Begründung aus der angespannten Situation in Fadis Internetcafé befreit zu werden. Sie liefen nebeneinanderher, aber Sumaya sprach kein Wort. War sie wütend? Hatte er sie enttäuscht? Oder wusste sie bereits, was Fadia Latif ihnen zu sagen hatte? Er fragte nicht. Wie eine Katze. Sumaya erhielt die Distanz aufrecht, bis sie im Wohnzimmer der Wohnung des verstorbenen Abgeordneten Platz genommen hatten. Erst nachdem Fadia zu berichten begonnen hatte, griff Sumaya doch noch zögerlich nach seiner Hand; was ihn sofort daran erinnerte, wie es sich am Morgen angefühlt hatte, als die Sonne endlich den Balkon erreicht und Sumaya sich an ihn geschmiegt hatte.
    »Ich bin froh, dass ihr beide gleich gekommen seid. Ich glaube, es ist wichtig. Und ich traue niemandem außer euch.«
    »Worum geht es denn?«, fragte Sumaya vorsichtig.
    »Es ist, ich glaube …« Für einen Moment brach Fadia Latifs Stimme weg. Sie schloss kurz die Augen. Dann wandte sie sich wieder an ihre Gäste. »Entschuldigung. Es ist so: Ich glaube, ich habe

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