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Radikal

Radikal

Titel: Radikal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yassin Musharbash
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wohnst doch auch hier, oder etwa nicht?«
    Und dazu dieser Blick in seinen Augen: verletzt. Wütend.
    »Fadi, was ist los?«
    »Susu, Habibti , ich schwöre: Mir ist es scheißegal , wer diese Scheißbombe gestern gelegt hat. Aber du hast keine Ahnung, was hier los ist seitdem.«
    Dann brach es aus ihm heraus. Am Vorabend war die Frau seines Mitarbeiters Metin angespuckt worden, zum ersten Mal in den zehn Jahren, die sie in Kreuzberg lebte. Mitten in der U-Bahn, am helllichten Tag. In aller Ruhe war ein vielleicht 30-jähriger Mann aufgestanden, auf sie zugegangen und hatte sie angespuckt. Als er selbst heute Morgen beim Bäcker gewesen war, hatte er mitangehört, wie ein Kunde zum Verkäufer gesagt hatte: »Diese Moslems, echt, die eine Hälfte will nur ficken und die anderen den Dschihad.«
    »Ich hab ihm gesagt, er soll die Schnauze halten«, berichtete Fadi. »Aber er hat mich nur angeguckt und gesagt: ›Ein bisschen mehr Selbstkritik an einem Tag wie heute wäre jawohl angebracht, Ali ! Deine Kollegen haben gestern ein Dutzend Leute umgebracht, da könnt ihr ja vielleicht einmal zur Abwechslung die Schnauze halten.‹«
    »Und was hast du dann gemacht?«
    »Ich wollte ihm eine reinhauen. Aber ich hab’s nicht getan. Bin rausgegangen.«
    »Gut so. Wir dürfen uns nicht provozieren lassen.«
    »Wieso eigentlich nicht? Wieso nicht , Susu?«
    »Weil sie genau das wollen.«
    »Ja und? Was die wollen, ist mir egal.«
    »Aber es wird nicht weniger werden, wenn du darauf reagierst.«
    »Wird es denn weniger, wenn ich nicht darauf reagiere? Weißt du, was irgend so ein Arschloch heute auf meinen Rollladen gesprayt hat? Hier, ich zeig’s dir, ich krieg’s nämlich nicht ab. Aber vielleicht, Susu, lasse ich es einfach dran, wenn du meinst, dass das dem Weltfrieden dient!«
    Fadi war wütend. Niemals zuvor hatte er so mit ihr gesprochen. Mit schweren Schritten stampfte er auf das Schaufenster zu und ließ den Rollladen herunter.
    »Geh nach draußen, Susu, schau es dir an!«
    »Fadi, erzähl’s mir doch einfach.«
    » Nein , Susu, schau es dir einfach an, o.   k.?«
    Sumaya ging nach draußen. Auf dem Rollladen stand in Pink und Schwarz: »Verpisst euch mit eurer Kinderficker-Religion.«
    »Fadi, vielleicht solltest du zur Polizei gehen und das anzeigen?«
    »Anzeigen? Susu, ich liebe dich, du bist die Tochter meines Onkels, du bist wie meine Schwester. Aber soll ich dir mal was sagen? Anzeigen und zur Polizei gehen, das klingt mir ein bisschen zu sehr nach Lutfi, Allah yarhamahu .«
    Sollte sie gehen und ihren Cousin stehen lassen? Hatte er ein Recht, Lutfi Latif ins Gefecht zu führen, und damit sie selbst? Oder hatte er einfach recht? War sie wirklich so naiv, wie er zu glauben schien? Was hätte Lutfi getan? Was hatte Lutfi getan? Nichts, er hatte nichts getan. Und nun war er tot. Ein Opfer. Weil er sich nicht gewehrt hatte?
    Sumaya entschied sich zu bleiben. Sie wollte keinen Streit. Nicht mit Fadi. Stattdessen versuchte sie, das Thema zu wechseln, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. Sie sagte Fadi, dass Samuel später auch noch kommen würde. Aber kaum hatte sie den Namen ausgesprochen, merkte sie, dass ihr Versuch der Deeskalation gescheitert war.
    »Ist das der Typ, von dem du mir erzählt hast? Der sich um unsere bewaffneten Brüder und Schwestern kümmert, ja?«
    So hatte sie sich das nicht vorgestellt. Und als Samuel kurz darauf tatsächlich auftauchte, hätte sie ihn am liebsten gleich wieder weggeschickt. Aber was hätte sie ihm sagen sollen? Das hier geht nur uns was an? Entschuldigung, ich hab mich vertan, mein Cousin hat im Moment leider kein Interesse daran, dich kennenzulernen? Komm bitte wieder, wenn du einer von uns bist?
    Samuel versuchte sie zu umarmen, aber sie wich ihm aus. Fadi nahm das wahr und verstand sofort. Er kniff seine Augen zusammen, seine Stirn zog sich in Falten, der freundliche Bär war jetzt ein unfreundlicher Bär. Gleichzeitig sah sie Samuel an, dass er verletzt war. Sie wäre am liebsten alleine gewesen, weit weg.
    »Tee?«, fragte Fadi.
    »Gerne«, antwortete Samuel.
    »Zucker?«
    »Ja, bitte.«
    »Heute schon einen Terroristen gefangen?«
    »Nein, heute noch nicht.«
    »Die sollen ja überall sein.«
    »Na ja, so viele sind es auch wieder nicht.«
    »Du checkst diese Wichser im Internet aus, oder was?«
    »Ja. Vor allem.«
    »Weißt du, was ich glaube? Dass das alles übertrieben ist.«
    »Kann schon sein. Aber ab und zu fliegt auch was in die Luft.«
    »Ja, ab

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