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Radikal

Radikal

Titel: Radikal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yassin Musharbash
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Hinweise darauf gefunden, dass mein Mann nicht von al-Qaida ermordet wurde.«
    Sie hatte am Morgen Besuch von ihrem Anwalt gehabt, berichtete Fadia Latif. Es ging um das Testament. Aber auch um einen Brief, den der Abgeordnete bei ihm hinterlegt hatte, ausdrücklich für den Fall, dass ihm etwas zustoßen sollte.
    »Ich wusste, dass er Material über radikale Islamhasser sammelte«, erklärte Fadia. »Er hat es mir erzählt. Aber er sagte, er hätte noch nicht genug Informationen, um sie öffentlich zu machen.«
    Sie griff nach einem Blatt Papier, ein einzelner Bogen, den sie zuvor auf die Fensterbank gelegt hatte, und reichte ihn Sumaya. Sumaya las das Schriftstück und gab es schließlich an Samson weiter:
    Im Namen Gottes, des Barmherzigen, des Allerbarmers.
    Dies hier ist eine Zusammenfassung von Informationen, die mir auf verschiedenen Wegen zugespielt wurden, die ich für bemerkenswert und potenziell bedrohlich halte, und die, für den schlimmsten anzunehmenden Fall, meiner Frau zugänglich gemacht werden soll – und allen jenen Personen, die sie für vertrauenswürdig erachtet.
    ERSTENS : An dem Tag, an dem Cord Munkelmann und ich seinen Arbeitsvertrag unterzeichneten, setzte er mich vertraulich davon in Kenntnis, dass es in seiner Familie ein delikates Problem gebe: Seine Zwillingsschwester Gisela sei eine radikale Islamfeindin; weil sie seine Zwillingsschwester sei, sei ihr Verhältnis sehr eng, deshalb rede er viel mit ihr. Er gab mir zu verstehen, dass Frau Munkelmann Teil einer klandestinen Aktivistengruppe sei, deren Ziel es offenbar ist, durch provokante Aktionen Muslime in Deutschland zu übertriebenen Reaktionen anzustacheln, um auf diese Weise eine Eskalation herbeizuführen, die schließlich zu einer Steigerung anti-islamischer Gefühle in der Bevölkerung führen solle. Cord Munkelmann gab an, dass er kaum Details kenne und auch keine Namen von Mitstreitern, dass aber seiner Schwester zufolge unteranderem Beamte aus verschiedenen deutschen Sicherheitsbehörden vertreten seien. Ob das stimme, könne er nicht beurteilen. Sie habe versucht, ihn als Informanten über mich zu gewinnen. Er fände es ungehörig, mich darüber nicht zu informieren.
    ZWEITENS : Zwei Tage nach diesem Vorfall rief mich Martha Sinn an, die Ehefrau des Berliner Innenstaatssekretärs. Sie war offenkundig verzweifelt, aber ebenso offenkundig alkoholisiert. Sie berichtete, allerdings ziemlich wirr, dass sie sich an mich wende, weil sie glaube, dass ich sterben solle. Nicht sie wolle das, aber einige der merkwürdigen Gäste, die ihr Ehemann gelegentlich einlade, hätten, als sie sich unbelauscht wähnten, darüber gesprochen. Sie sehe diesen Anruf als Verrat an, es falle ihr schwer, aber sie sei eine gläubige Christin und fühle sich deshalb verpflichtet, mir dieses mitzuteilen. Diese Information sei so brisant, dass ich sie auf gar keinen Fall teilen dürfe.
    DRITTENS : Wiederum zwei Tage danach traf ich mich am Abend mit einem ehemaligen Studienkollegen, der heute für einen nahöstlichen Geheimdienst arbeitet, zum Abendessen. Seinen Namen kann ich nicht offenbaren, auch nicht das Land, für das er arbeitet, es ist aber nicht sein Heimatland. Er teilte mir mit, dass ein Zuträger des betreffenden Dienstes auf ein Netz von privaten Gruppen gestoßen sei, die unter strenger Abschirmung im rein privaten Rahmen über Vorhaben diskutieren würden, die ähnlich klangen wie das, was Frau Munkelmann ihrem Bruder beschrieben hatte. Diese Salons hätten ein Gravitationszentrum: Doktor Sinn und einen von dessen privaten Freunden, der in Potsdam lebe, aber dessen Identität absolut beschützt würde. Der Kern dieses Netzes nenne sich »Kommando Karl Martell«. Auf dem letzten Treffen, auf dem der Zuträger gewesen sei, sei am Ende im kleinen Kreis davon die Rede gewesen, dass eine ganz bestimme Aktion unmittelbar bevorstehe und dass sichergestellt worden sei, dass keine Hinweise auf das Kommando zurückführen würden. Zudem seien meine Person und meine Aktivitäten mehrfach Gegenstand hasserfüllter Debatten gewesen. Ich kann den Wahrheitsgehalt dieser Hinweise nicht beurteilen. Aber ich ziehe daraus folgende Schlüsse: Sollte etwas dran sein und im schlimmsten Fall ein Anschlag auf mich verübt werden, sollte auch in diese Richtung ermittelt werden. Da möglicherweise damit zu rechnen ist, dass die Behörden unwillig sind, in diese Richtung zu ermitteln, sollte auch über alternative Ansätze nachgedacht werden. Ich hoffe, dass alle

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