Radikal
Namen.«
»Pippin.«
»Sehr lustig. Gut. Ich bin Widukind . Man wird sich bei Ihnen melden. Ich nehme an, Sie haben an eine frische Nummer gedacht.«
»Klar. O. k., ich muss dann jetzt zum Gate.«
»Sie können jetzt aufhören mit dieser Scharade.«
»Halten Sie mich für bescheuert?« Samson zog einen Boarding Pass für einen Flug nach Brüssel aus der Tasche.
»Nein, ich wollte nur sichergehen«, antwortete Sinn und lächelte.
Er war drin. Er wusste es, als er die Einladung nach Potsdam bekam. Er hatte Sinn beim Verabschieden in der Senator-Lounge einen Zettel mit einer Handynummer zugesteckt, die dazugehörige Telefonkarte hatte er am Vorabend gekauft. Als er nach dem Rückflug aus Brüssel wieder in Schönefeld landete, stellte er das Handy an und fand eine SMS mit einer Wegbeschreibung und dem Zeitpunkt für ein Treffen noch am selben Abend. Wenn er ein Taxi nahm, würde er vielleicht noch rechtzeitig ankommen.
***
Wütend warf Ansgar Dengelow den Tagesspiegel auf seinen Schreibtisch und stapfte zur Kaffeemaschine, um sich einen Espresso zu machen. Dengelow wusste, dass Journalisten ungeduldig waren, weswegen er einige von ihnen immer dann, wenn es möglich war, ja auch mit Andeutungen und ungefährlichen Details fütterte, um sie sich vom Leibe zu halten. Aber dieses Mal hatte er gehofft, dass es ein bisschen länger dauern würde, bis die Presse anfangen würde, den armseligen Ermittlungsstand zu thematisieren. »Noch immer keine heiße Spur zu Lutfi Latifs Mördern«, lautete die Schlagzeile. Das stimmte. Und wie das stimmte.
Es war 6 Uhr 30 am Morgen, die Zeit, zu der zu kommen er sich mittlerweile angewöhnt hatte. Präsenz zeigen im Amt. Das war wichtig. Die Moral aufrechterhalten! Dass er sich mit dieser Begründung aus dem Haus schleichen konnte, während Leo und Agnes noch schliefen, war ihm nur recht.
Dengelow checkte in seinem Rechner, ob die Mitarbeiter der BAO Zypresse über Nacht vielleicht Fortschritte gemacht hatten. Aber an dem deprimierenden Ermittlungsstand hatte sich praktisch nichts geändert. Die Experten hatten die Bombe nun halbwegs rekonstruiert. Sie war tatsächlich mithilfe eines Mobiltelefons gezündet worden, im Sprengsatz selbst waren Teile eines etwa ein Jahr alten Nokia-Handys verbaut worden. Aber das war eines der weltweit gängigsten Modelle überhaupt, also ergab sich daraus kein verwertbarer Ansatz, zumal es keine Seriennummer oder Ähnliches gab.
Die Zündvorrichtung hatte sich als Eigenbau herausgestellt, ebenso wie der Sprengstoff »mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unter den Bedingungen eines Privatlabors« gekocht worden war. Dengelow hatte einige Beamte die sichergestellten Rückstände mit Proben der Sprengstoffe vergleichen lassen, die von den privaten Sprengstoffbastlern hergestellt worden waren, bei deren Enttarnung Munir geholfen hatte. Aber es gab bisher keinen Treffer, drei Tests standen noch aus. Sicher war nur, dass der Sprengstoff selbst, so die Chemiker, vermutlich maximal eine Woche vor der Tat hergestellt worden war. Das machte die Suche nach dem Labor aber leider nicht einfacher.
Auch Überwachungskameras, die den Täter aufgezeichnet haben könnten, lieferten nichts Verwertbares. Der Eingang der Siegfried-Passage wurde überraschenderweise von keiner einzigen Kamera erfasst. Und aus dem Meer der Flaneure, die an jenem Morgen Unter den Linden auf und ab gegangen waren und unter denen der Täter eventuell gewesen war, hatte niemand das Misstrauen der Auswerter auf sich gezogen, als sie sich die Bänder aus den entsprechenden Kameras angeschaut hatten. Dengelow gehörte durchaus zu jenen, die einen intuitiven Widerwillen gegen flächendeckende Überwachung unschuldiger Bürger hegten; aber in London zum Beispiel gäbe es mit hundertprozentiger Sicherheit längst Bilder des Attentäters.
Blieb das Bekennervideo. Es sah ganz danach aus, als sei es in einem Keller aufgenommen worden – aber es gab bedauerlicherweise keine hervorstechenden Merkmale, anhand derer man den Keller oder das Gebäude identifizieren könnte. Wo gab es keine Holzregale und das Ende eines Heizungsrohres zu sehen? Die Linguisten waren derweil zu dem vorläufigen Ergebnis gekommen, dass der Sprecher »mit großer Wahrscheinlichkeit arabischer Muttersprachler« ist. Das konnte man wohl kaum als Durchbruch bezeichnen. Nun lag das Video, zur nochmaligen Auswertung, bei einem externen Gutachter. Dengelow wusste, dass diese Experten manchmal recht brauchbare
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