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Radikal

Radikal

Titel: Radikal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yassin Musharbash
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Cookies, die der Geschäftsführer tatsächlich morgens selbst backte, auch wenn er nicht danach aussah.
    Stefan bestellte einen Cappuccino und für Samson   /   Samuel – »wie früher, oder?« – einen dreifachen Espresso.
    Samuel widersprach nicht.
    Sie setzten sich auf die Holzstühle vor dem Café.
    »Pass auf, ich mache es kurz, weil du ja gleich reinmusst und ich, wie gesagt, danach nicht bleiben kann. Ich habe mit ein paar Bekannten, nicht nur Anwälte, aber gute Leute, Intellektuelle und so, nachdenkliche Menschen alles, schon vor einiger Zeit eine Art Salon gegründet. Einen politischen Salon. Wir treffen uns alle zwei Wochen. In Ruhe reden, du weißt schon, über das, was uns so bewegt. In aller Ruhe, ohne Tabus, ohne Vorbehalte, unter uns gewissermaßen. So weit, so klar?«
    »Klar.«
    »Also, und dein Thema, tja, das ist so eine Art Dauerbrenner bei uns.«
    »Mein Thema ?«
    »Na ja, Terrorismus. Islamistischer Terrorismus. Auch Islamismus allgemein. Das Denken, die Ziele, was es für uns bedeutet. Bedeuten kann. Bedeuten wird. Islam allgemein, auch immer wieder ein Thema, klar, in Berlin, aber natürlich auch insgesamt!« Stefan lachte.
    »Klingt interessant«, sagte Samson langsam.
    »Ist es auch, ist es!«, fuhr Stefan fort, und schüttete Zucker in seinen Cappuccino. »Und manchmal laden wir Leute ein, die sich mit einer Sache, die uns interessiert, besonders gut auskennen. Na ja, und wir hätten dich gerne mal als Gast. Wie gesagt: ganz ungezwungen, ganz frei. Ganz offen.« Stefan sah ihn erwartungsvoll an.
    Samson nahm einen Schluck von seinem Espresso. Aus irgendeinem Grund musste er an Nina denken, in die Stefan im Abiturjahr so verliebt gewesen war. Nina . Wie weit das alles weg war! Trotzdem war Stefan jetzt hier. Ein echter Mensch, zudem irgendwie immer noch der Alte, unverkennbar: immer dabei, etwas zu organisieren, immer auf der Suche nach der nächsten Sache. Ein feiner Kerl, dachte Samson, so nennt man das. Stefan war immer ein feiner Kerl gewesen. Verbindlich, ernsthaft, großzügig. Begeisterungsfähig.
    »Okay, warum nicht«, sagte Samson schließlich. »Klingt doch nach einem interessanten Abend.«
    »Das freut mich, freut mich ehrlich!«
    »Und wann wäre das?«, fragte Samson.
    »Nun, es wäre gleich heute Abend. Ich hoffe, das ist in Ordnung?«
    »Wo soll ich denn hinkommen, und wann?«
    »Das weiß ich noch nicht.«
    »Das weißt du noch nicht?«
    »Es ist immer ein anderer von uns dran, das Treffen zu organisieren, und die Regel lautet, dass wir immer erst zwei Stunden vorher erfahren, wo es stattfindet. Aber wir fangen um 22 Uhr an, das ist immer so.«
    »Wow, das klingt etwas merkwürdig, Stefan.«
    »Ja, ich weiß. Es liegt an einigen von unseren Leuten, weißt du. Es sind welche dabei, na ja, wie gesagt, es ist alles ganz offen, aber eben auch ganz vertraulich. Damit man wirklich reden kann, und es sind eben welche dabei, also zum Beispiel von großen Firmen oder Einrichtungen , also, die bestehen da irgendwie drauf, dass alles ein bisschen konspirativ ist.«
    »Was seid ihr, die Freimaurer?«
    »Kann schon sein, dass einige von uns Freimaurer sind, ehrlich gesagt gehe ich davon aus, also ein paar vielleicht, ich jedenfalls nicht. Aber wieso fragst du, ist das ein Problem?«
    Stefan sah Samson an. Erst dann lachte er und schüttelte den Kopf darüber, dass ihm nicht sofort aufgefallen war, dass Samson einen Scherz gemacht hatte.
    Samson . Samson merkte erst jetzt, wie ironisch es war, dass er ausgerechnet den Menschen, der ihm diesen Spitznamen verpasst hatte, daran erkannt hatte, dass er seinen wahren Namen gerufen hatte. Samuel. Samuel Sonntag, SamSon, Samson: Es war auf derKursfahrt nach London gewesen, an der Bar eines billigen Hotels in der Nähe der Tottenham Court Road, ziemlich spät nachts, als Stefan dieses Wortspiel, oder was auch immer genau es war, entdeckte und anschließend noch ein paar Stunden lang, bis zum Morgengrauen, kultivierte. Auch am nächsten Tag, als sie das British Museum besichtigten, beharrte Stefan darauf, Samuel nur noch Samson zu rufen. Und am übernächsten, als sie in einem kleinen, verwunschenen Privatmuseum am Sloane Square an einem von Lawrence von Arabien von irgendwo entführten Sarkophag standen und Samuel heimlich beschloss, dass Arabistik vielleicht wirklich ein interessanter Studiengang sein könnte, hielt Stefan durch. Am dritten Tag, dem Tag vor der Rückreise, setzte sich der neue Name allmählich durch. Thomas, Daniel,

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