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Radikal

Radikal

Titel: Radikal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yassin Musharbash
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stellte sie als Erstes fest, dass die Legende offenbar der Wahrheit entsprach. Denn da lag er: Arno Erlinger himself , gekleidet in ein graues Retro-Sakko, im Gesicht eine Ray-Ban-Sonnenbrille, entspannt und cool und unnahbar, seine vollen zwei Meter ausgestreckt auf einem vollständig ausgefahrenen Airline-Sessel mit Emirates – Logo. Die anderen beiden Sessel, die nur halb ausgefahren waren, hatten Frederick Rieffen und Lars Kampen okkupiert, die zwar beide kein Jackett, dafür aber Maßhemden trugen, Rieffen in Flieder, Kampen in strahlendem Weiß. In den Vertiefungen, die in die Armlehnen der drei Sessel eingelassen waren, standen Gläser. Ob Scotch darin war oder Eistee, vermochte sie nicht zu sagen.
    Merle Schwalb hatte angeklopft, aber niemand hatte reagiert. Also war sie eingetreten. Jetzt stand sie praktisch in der Mitte des Raumes und kam sich vor wie eine Stewardess.
    »Hallo!«, sagte Erlinger lässig und nahm seine Sonnenbrille kurz ab.
    »Hi« und »Hallo« sekundierten die anderen beiden, die Hände zu einem kurzen Winken in die Luft werfend.
    »Sie sind ein bisschen spät, aber das macht nichts«, erklärte Erlinger großzügig.
    Merle sah auf ihre Uhr. »Aber es ist doch genau 16 Uhr?«
    »Ach herrje, haben Sie meine Mail nicht mehr bekommen, dass wir eine halbe Stunde früher anfangen?«, fragte Erlinger.
    »Nein«, sagte Merle, in der Hoffnung, ebenfalls lässig zu klingen, mit der Ahnung, dass ihr das nicht gelingen würde, und zugleich erfüllt von Wut, weil sie auf den ältesten und abgeschmacktesten Trick der Welt hereingefallen war.
    »Egal, kein Problem. Wir haben bisher sowieso nur etwas herumgesponnen. Der Kollege Kampen wollte gerade ausführen, was wir eigentlich in der Hand haben.«
    »O.   k.«
    »Genau, alles o.   k. … Setzen Sie sich doch! Allerdings haben wir leider nur noch einen Economy – Sessel, sozusagen.« Er wies auf einen Ledersessel in der hinteren Ecke des Raumes, den Merle Schwalb sich daraufhin heranzog. »Lars, mach doch am besten einfach weiter, ja?«
    »Ja, klar. Also, wo war ich?« Kampen warf einen Blick in sein schwarzes Moleskin-Notizbuch. »Wir haben 189 Namen von Dschihadisten aus Deutschland, die in den letzten drei Jahren nach Waziristan gegangen sind, und zwar sicher nicht, um Teppiche zu kaufen, wenn ich es mal so ausdrücken darf. Siebzehn sind schon tot. Haben wir aber schon erzählt. Mindestens 13 Kinder von deutschen Dschihadisten-Eltern wurden dort mittlerweile geboren, eins starb im Wochenbett und wurde als jüngster Märtyrer aller Zeiten in einem Video verewigt, das haben wir leider auch schon erzählt. Wenn auch viel zu kurz, wie ich finde, weil Lauter das verhindert hat. Aber egal, wir wollen uns deswegen nicht noch einmal aufregen.«
    »Blablabla«, fiel ihm Arno Erlinger ins Wort. »Wir waren alle dabei, Lars, wir haben diese Geschichten zusammen gemacht. Sag uns lieber, was wir Neues haben!«
    »Ja. Gerne. Es gibt da durchaus ein paar Sachen, die wir noch nicht erzählt haben. Das LKA Baden-Württemberg hat vor ein paar Monaten Ermittlungen gegen einen Mann eingeleitet, von dem sie sicher sind, dass er ein Rekruteur der pakistanischen Taliban ist. Mittlerweile liegt die Sache beim Bundeskriminalamt, weil die Bundesanwaltschaft ein Verfahren wegen Werbung für einen fremden Wehrdienst eingeleitet hat.«
    »Ölauge oder Weißbrot?«, fragte Erlinger.
    »Kein Konvertit, Arno, Original-Hardware. Pakistanische Eltern. War in Nordwaziristan, vier oder fünf Monate, wahrscheinlich jedenfalls.«
    »O.   k., aber das alleine ist noch nichts, oder?«
    »Nein, natürlich nicht. Aber der Abu hatte Kontakt zum Los-Angeles-Bomber, haben sich eine Hütte geteilt, wie man hört, und er hat mindestens vierzehn andere Bärte angequatscht, um sie anzuwerben. Als er wieder hier war.«
    »Haben wir die Namen?«
    »Wir haben die Namen.«
    »Adressen, Telefonnummern, etc.?«
    »Ja, alles da.«
    »Gut. War er erfolgreich?«
    »Wie man’s nimmt. Sieben sind abgereist. Drei sind verschwunden. Die anderen sind unter Wind.«
    »Verteilung?«
    »Fast alle im Süden und Südwesten. Einer ist nach Berlin umgezogen. Einer treibt sich jetzt offenbar in Braunschweig herum. Sagt man mir jedenfalls.«
    »O.   k. Das ist gut. Aber das reicht nicht für drei Seiten, lange nicht.«
    »Nein, aber es hängt ja auch noch mehr dran.«
    »Ich höre …«
    »Also, dieser Typ, er heißt Iqbal, hat sich ziemlich viel im Netz herumgetrieben. Hat E-Mails geschrieben. Kontakte

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