Radikal
fürs Feuilleton.«
»Oder für Lauter«, warf Kampen ein, »wenn er noch lang genug unter uns weilen sollte!« Woraufhin die Drei Fragezeichen kollektiv und nahezu tonlos zu lachen begannen.
»Spaß beiseite«, erklärte Erlinger schließlich und ließ zur Abwechslung seine Sonnenbrille zwischen Daumen und Zeigefinger rotieren. »Wir bleiben bei Plan A. Die Geschichte geht so: Jede Terrorgruppe, die etwas auf sich hält, hat in Deutschland längst ihre Leute gepflanzt. Sie warten nur noch auf das Signal loszuschlagen. Und dieses Signal wird kommen. Alles, was in den letzten Monaten in den USA und in Großbritannien und sonst wo an Anschlagsversuchen fehlschlug oder vereitelt wurde, wird hier früher oder später, aber eher früher, auch versucht werden. Nur dass unsere Sicherheitsbehörden leider nicht gut genug sind. Was man daran merken wird, dass wir über Personen berichten werden, die kein Schlapphut kennt, wir aber schon, was die Armen auch zugeben werden. Wir beschreiben, wie leicht das alles ist, ein Einsatzbefehlper Anruf, ein Download einer Bombenbauanleitung in einem Internetcafé in Kreuzberg, ein paar Utensilien aus Mamas Küche und Ahmets Baumarkt, und Bumm . Frederick, du besorgst die Zitate der besorgten Dienstler und Bullen und von einem oder zwei Terrorexperten, gerne aus dem Ausland, die zwei deutschen sind schon etwas durchgenudelt, Lars macht die Hausbesuche bei den Leuten auf unserer Liste und nimmt Atmo aus den Moscheen mit, ich besorge die aktuellen Worst-Case-Szenarios aus den Behördenschubladen, die sind ziemlich düster, vergiftetes Trinkwasser, parallel explodierende ICE s, gehackte Atomkraftwerke etc., und ich rede noch mal mit Uncle Sam und den Tommies und meinetwegen auch mit den Franzosen, die sind wegen der Abus in Algerien eh ziemlich panisch, und alle finden, dass die Deutschen es noch nicht gerafft haben, dass sie das nächste Ziel sein könnten. Frau Schwalbe, was machen wir mit Ihnen?«
»Schwalb.«
»Untröstlich. Soll nicht wieder vorkommen. Tja, wie wär’s, wenn Sie einfach noch ein bisschen Farbe anschleppen? Ich hab so eine Idee, dass wir die Geschichte mit Lutfi anfangen und beenden können – so nach dem Motto: Wie der Sympathieträger im Fadenkreuz auf die Vollstreckung seines Todesurteils wartet … Sie wissen schon, was ich meine: Jede Umarmung mit seiner hübschen Frau könnte die letzte sein, die Frage ist nur noch, ob seine Beschatter vom BKA oder die Assassinen von al-Qaida besser sind. Das macht’s anschaulich. Wie wäre das?«
»Nach meinem Kenntnisstand nimmt Lutfi Latif die Drohungen nicht wahnsinnig ernst. Und den Personenschutz durch das BKA hat er abgelehnt.«
»Umso besser: Der Mann, der es besser wissen müsste, will die Gefahr nicht wahrhaben! Also dann: nächstes Treffen in drei Tagen.«
Merle Schwalb nickte kurz und wartete darauf, dass die Drei Fragezeichen sich erheben würden. Sie taten es nicht, also stand sie auf und ging.
***
Seit einer Woche ächzte die Stadt schon unter einer schwülen Hitzewelle. Wer nicht unbedingt musste, vermied es, am Nachmittag auf die Straße zu gehen. In den Straßencafés waren die Tische überfüllt. Auf den Spielplätzen, an denen Samson vorbeikam, liefen nackte Kleinkinder umher und steckten ihre Köpfe unter altmodische, gusseiserne Wasserpumpen, um sich abzukühlen. Und die Nächte waren so warm, dass Samson sich auch ohne seinen neuen Job lieber vor seine Rechner auf dem Dachboden gesetzt hätte, als sich schlaflos und schwitzend in seinem Bett hin und her zu wälzen. Fast jede Nacht hatte er zuletzt bis zum Morgengrauen dort verbracht. Wenn er Sumaya morgen seinen ersten Bericht übergeben würde, dann wollte er eine ordentliche Arbeit vorweisen.
Nun war Samson auf dem Weg nach Friedrichsfelde. »Zehn Uhr, der Eiswagen bei den Giraffen«, hatte Kai ihn per SMS instruiert. Das war das normale Procedere zwischen ihnen beiden, denn Kai arbeitete beim Bundesamt für Verfassungsschutz und durfte Samson eigentlich gar nicht treffen, jedenfalls nicht ohne offiziellen Auftrag. Deshalb entschied er, wann und wo ein Treffen überhaupt möglich war. Das eigentlich vereinbarte etwa, dessentwegen Samson vor ein paar Tagen früher vom Tauchen zurückgekehrt war, hatte Kai kurzfristig absagen müssen.
Diesmal war Kai dafür schon vor Samson da: ein baumlanger Mann in sandfarbenen Dreiviertel-Shorts, die bloßen Füße in Birkenstock-Sandalen und im Gesicht ein Dreitagebart, während die halblangen
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