Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Radikal

Radikal

Titel: Radikal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yassin Musharbash
Vom Netzwerk:
potenziellen Absätzen in einer ›Geschichte‹ schrumpften, die schon feststand und nur noch mit Daten, Fakten und Szenen gefüllt werden würde. Und die Lakonie, mit der sie dies verhandelten: Ölaugen, Weißbrote, Abus: Was war das für eine Sprache? Waren die drei immer schon so abgeklärt gewesen, so zynisch? Merle Schwalb wusste, dass sie selbst nicht zimperlich war. Man landete nicht bei einem der wichtigsten Magazine des Landes, wenn man ein Hippie war. Aber das hier war eine andere Liga. Hier galten offenbar noch ganz andere Regeln. Wenn überhaupt irgendwelche galten. Mit Sicherheit jedenfalls nicht jene, die sie an der Journalistenschule gelernt hatte.
    Kampen hatte vorerst genug preisgegeben und legte eine Pause ein.
    Arno Erlinger bewegte sein Glas in der Hand, sodass die Eiswürfel leise klimperten. Ein Lächeln, das man im Halbdunkel für freundlich halten könnte, vermutlich jedoch nicht bei Tageslicht, machte sich auf seinem Gesicht breit. »Frau Schwalbe, was haben Sie denn so auf Halde?«
    »Schwalb.«
    »Sorry, untröstlich . Schießen Sie los!«
    Was hatte sie? Sie hatte Dengelow. Und sonst? Und sonst hattesie noch, was Samson ihr erzählt hatte, als er, nach sieben Tagen, nachts um vier, Samson eben, zurückgerufen hatte. Dummerweise war das nur mit Sicherheit nicht, was die Drei Fragezeichen würden hören wollen. Oder doch? Sie beschloss, mit Dengelow zu beginnen. »Nun, ich kenne zwei Namen aus dem Kreis der Gefährder, der mit den Drohbotschaften an Lutfi Latif zu tun hatte«, sagte sie.
    »Ach so«, warf Kampen ein und schlug erneut sein Notizbuch auf: »Das habe ich ganz vergessen zu erwähnen. Also Bustani hängt anscheinend mit drin. Und Scheich Nadir. Ansonsten aber keine Promis. Frau Schwalbe, meinten Sie die zufällig auch?«
    »Zufälligerweise ja.«
    »Hm, na ja, immerhin haben wir damit möglicherweise eine zweite Quelle, das ist ja auch schon etwas«, sagte Erlinger gönnerhaft. »Ich frag mal ganz vorsichtig: Ihr Informant, arbeitet er bei einer Landes- oder bei einer Bundesbehörde?«
    »Bundesbehörde.«
    »Ah, sehr gut. Lars, du hast es wahrscheinlich von den Freunden in NRW , oder?«
    »Jo.«
    »O.   k., schreib auf: Bustani und Nadir bestätigt.«
    Kampen zückte einen Kugelschreiber und trug feierlich die befohlenen Worte in sein Notizbuch ein.
    »Nach meiner Quelle«, warf Merle Schwalb ein, »ist es jemand aus Bustanis Umfeld .«
    »Bustanis Umfeld ist Bustani«, sagte Erlinger bestimmt. »Das macht überhaupt keinen Sinn, da krampfhaft zu unterscheiden. Sagen Sie uns lieber, was Sie noch haben!«
    Kampen und Rieffen richteten sich kaum merklich auf ihren Liegesesseln auf. War da ein Hauch von Provokation in Erlingers Stimme gewesen? Wie Erdmännchen bei der Aussicht auf Fütterung reckten sie ihr ihre Hälse entgegen. Merle Schwalb merkte, wie ihr Herzschlag sich erhöhte. Sollte sie den Drei Fragezeichen erzählen, was Samson angedeutet hatte? Angedeutet mit dem klaren Hinweis, dass sie sich da raushalten sollte, dass er sie nur davor warnen wollte, aufs falsche Gleis zu geraten? Samson, der niemals einen Fuß in diesen Raum gesetzt hatte und auch nicht setzen würde, unter keinen Umständen, weil er die Drei Fragezeichen verabscheute, diefür ihn nichts waren als Aasgeier, wie er es nannte, unfähig, eigene Informationen zu generieren, darauf angewiesen, andere auszuhorchen? Sie wusste, Samson würde es als Verrat betrachten. Doch als sie es tat, war sie selbst erstaunt, wie leicht es ging.
    »Zwei Sachen. Kleinigkeiten vielleicht. Eventuell aber interessant. Erstens: Einige der islamistischen Drohbotschaften an den Abgeordneten stammen offenbar von ein und demselben Absender. Vielleicht sogar die meisten. Das wusste ich nicht, als ich die Meldung gemacht habe. Und zweitens, auch das wusste ich nicht, als ich die Meldung gemacht habe: Es gibt neben den islamistischen Drohbotschaften auch welche von Nazis und Islamhassern. Etwas weniger, rein quantitativ. Aber inhaltlich genauso heftig.«
    Eine Pause entstand.
    Langsam ließ Erlinger sein Glas kreisen, bis die verbliebenen Eiswürfel kollidierten. Nach einer halben Ewigkeit hatte er seine Kontemplation beendet. »Frau Schwalbe, ich sag’s mal so. Erstens: Umso interessanter, wenn einer gleich mehrmals den Tod des Abgeordneten fordert, könnte der Superheld unserer Geschichte werden, sozusagen, jetzt müssen Sie diesen Ober-Abu nur noch finden. Und zweitens: Islamhasser, tja, also ich denke, das ist dann doch eher was

Weitere Kostenlose Bücher