Radikal
und gingen nebeneinander her, den gemächlichen Gang von regelmäßigen Besuchern imitierend.
»Also, was hast du auf dem Herzen, Samson? Lutfi Latif, hm?«
»Genau, ich soll die Gefährdung sozusagen unabhängig bestimmen.«
»Und wieso willst du mit mir darüber reden? Du weißt mehr über dieses Leute als ich. Möglicherweise auch mehr als unsere Beschaffer.«
»Ja, ich hab mich diesmal auch extra tief reingekniet, alle Foren,alle Chatrooms, ich habe mit jedem Kontakt aufgenommen, der etwas wissen oder ahnen könnte.«
»Und was hast du rausbekommen?«
»Na ja, nicht viel. Aber immerhin etwas: Es gibt einen Typen, der unter seinen Fans damit angibt, dass er alleine dreißig Drohbriefe an Lutfi Latif verschickt und damit dafür gesorgt habe, dass die Geschichte im Globus landete. Und weil er auch Auszüge rumgeschickt hat, die ich mit den Kopien aus Latifs Büro abgleichen konnte, bin ich mir ziemlich sicher, dass es stimmt.«
»Und wer ist der Mann?«
»Da bin ich mir noch nicht ganz sicher, ich kenne bislang nur drei seiner virtuellen Identitäten, aber er lebt vermutlich in Hamburg.«
»Und was heißt das?«
»Ich glaube, dass er ein Angeber ist.«
»Wieso?«
»Weil einige, vor denen er geprahlt hat, und die ihn persönlich kennen, anderen Leuten gesagt haben, dass er das nie im Leben machen würde, weil er viel zu feige sei. Und dass er ein bekanntes Großmaul sei.«
»Aber …«
»Aber es könnte auch ganz anders sein, ich weiß, Kai. Ich weiß das genau.«
»Ja, natürlich weißt du das.«
»Das ist aber noch nicht alles.«
Samson erzählte Kai von den anderen Drohbriefen, die nicht von Islamisten stammten. Und dass er auch versucht hatte, aus denen schlau zu werden, indem er auf islamfeindlichen Webseiten, Blogs und Chatrooms nach Spuren gesucht hatte.
»Es ist irre, Kai, ich meine, ich wusste, dass es diese Typen gibt. Aber ich wusste nicht, dass es auch bei denen welche gibt, die offenbar den ganzen Tag im Netz verbringen und ihren Hass verspritzen.«
»Oh, glaub mir, das wiederum weiß ich genau«, sagte Kai bitter.
Samson hatte schon bemerkt, dass sich Kais Miene verfinstert hatte, während er sprach.
»Kai, alles klar bei dir?«
»Na ja, weißt du, ich hätte nicht gedacht, dass wir ausgerechnetdarüber reden würden. Aber Fakt ist, dass ich mich seit Monaten um nichts anderes mehr kümmere als um die Islamhasser. Oder genauer gesagt: Ich kümmere mich so viel um sie, wie ich darf . Denn es überrascht dich vermutlich nicht, dass einige meiner Vorgesetzten nicht finden, dass wir sie im Blick haben sollten.«
»Wow, das wusste ich nicht. Wann hast du damit angefangen? Und wieso?«
»Das kann ich dir genau sagen. Vor vier Monaten, am vorletzten Tag des Ramadan, da haben Unbekannte in Köln, Hamburg und Bonn zeitgleich Schweineblut vor einigen großen Moscheen ausgeschüttet. Sie haben die Klinken mit Speck eingerieben. Und in Bonn haben sie sogar einen Schweinekopf aufs Geländer gespießt.«
»Wie bitte? Das habe ich gar nicht mitbekommen.«
»Nein, wir haben alles getan, mit den Moscheen zusammen übrigens, dass niemand das mitbekommt. Aber seitdem ist mir klar, dass da was auf uns zukommt. Ich meine, wir wissen, wozu Nazis und deine Kunden fähig sind. Aber jetzt kommt da wohl noch was dazu.«
»Ihr glaubt, dass sie militant werden könnten?«
»Ich glaube das. Andere glauben das nicht. Sie halten das für absurd . Für konstruiert. Für Panikmache. Aber ich habe mit Kollegen in den Niederlanden gesprochen. Und mit denen in der Schweiz. Und mit denen in Österreich. Sogar in Belgien. Und dort beschäftigen sich schon lange eigene Abteilungen damit, wenn das auch offiziell nicht unbedingt so ist. Sie haben genau dieselbe Sorge. Und sie sehen schon erste Ansätze: Ein Verrückter mit einem selbst gebauten Minisprengsatz, den sie in Antwerpen aus der Garage gezerrt haben und der selbst gesagt hat, dass er auf dem Weg zu einer Moschee war, nur ein Beispiel. In Großbritannien, Gordon Martyn, von dem hast du vielleicht gehört. Hatte selbst gebaute Bomben unter dem Bett versteckt. Und ein Notizbuch mit einer Art Manifest für einen Krieg gegen den Islam, den er auslösen wollte: The time to act has come . In Frankreich hat ein Metzger Muslimen Schwein als Lamm verkauft und in seinem Keller Literatur über Sprengfallenbau gehortet. Bis jetzt waren das alles durchgeknallte Einzeltäter. Aber was, wenn sie sich vernetzen? Wenn jemand es in die Hand nähme und die Stränge
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