Radikal

Titel: Radikal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yassin Musharbash

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bemüht. Er weiß aber, dass es ihn gibt. Er hat mir auch den Namen genannt.«
    »Und?«
    » Kommando Karl Martell . Das soll der Name sein, der aber erst zu gegebener Zeit bekannt werden soll. Was auch immer das heißt.«
    »Karl Martell? Der angeblich im Jahr 732 die Araber daran gehindert hat, von Spanien aus ganz Europa zu überrennen?«
    »Genau der.«
    »Du weißt, dass das eine Legende ist? Die Schlacht von Poitiers war eher ein Scharmützel, und die Araber hatten kein besonderes Interesse an Mitteleuropa.«
    »Kann sein, ist aber irrelevant. Es geht ja gerade um den Mythos.«
    »Und du glaubst, dass dieses Kommando Karl Martell an der Schwelle zur Militanz steht, wenn ich dich richtig verstehe? Dass sie demnächst vielleicht eine Moschee in die Luft sprengen oder so etwas?«
    »Ich weiß es nicht, Samson. Aber dass ich mir darüber Gedanken machen muss, finde ich schlimm genug.«
    »Kennt ihr denn einige der wichtigeren Leute um Sinn schon? Ich meine, ihr könnt ja wohl kaum Sinn selbst observieren.«
    »Ja, das stimmt. Und ja, wir haben ein paar unter Wind, allerdings inoffiziell, was für mich ziemlich heikel ist. Einige zeigen, wie nennen wir das noch gleich? Ach ja: Anzeichen konspirativen Verhaltens. Deshalb wusste ich übrigens auch mehr als der Globus . Ich kenne nämlich immerhin eine Absenderin von einer Drohbotschaft an Latif.«
    »Eine Frau?«
    »Ja, Anwältin. Sie ist Gründungsmitglied von Sinns Salon und hat selbst mindestens vier weitere gegründet, in Neubrandenburg, in Hannover, in Potsdam und in Kiel, die sie dann in die Hände vonlokalen Aktivisten gegeben hat. Ich bin noch nicht sicher, aber ich schließe nicht aus, dass sie zum Kommando gehört. Ich bin mir aber fast sicher. Sie benutzt seit vier Monaten ihr Festnetztelefon nicht mehr und reist viel in die Niederlande.«
    »Das klingt nicht gerade bedrohlich.«
    »Bei einem Islamisten würden wir Alarm schlagen.«
    »Vielleicht zu früh. Vielleicht zu Unrecht. Ist ja nicht so, als würde das nicht vorkommen.«
    »Ja. Aber manchmal übersehen wir auch einen, Samson. Und dann ist es schlecht.« Kai machte eine Pause. »So wie in Hamburg«, fügte er hinzu.
    Hamburg. Kai hatte es ausgesprochen. Das hatte er noch nie getan. Samson spürte, wie er sich anspannte. Sofort schossen ihm Gesprächsfetzen in den Sinn, verschwommene Bilder, wie mit Vaseline verschmiert. Er wollte etwas entgegnen, irgendetwas, vielleicht wollte er sogar schreien. Aber er tat es nicht. Er zwang sich, ruhig zu bleiben. Kai musste sehr verärgert sein, wenn er in diese Wunde stieß. Oder sehr besorgt.
    »Wie heißt sie?«, fragte Samson.
    »Du weißt, dass ich dir das nicht sagen darf.«
    »Du durftest mir nichts von dem sagen, was du mir gesagt hast.«
    Sie hatten das Löwenhaus erreicht. Neugierig reckte eine Brigade Kindergartenkinder die Hälse, um den schlafenden Löwen hinter einem Felsbrocken auszumachen. Kai lächelte kurz, und zeigte mit seinen Fingern an, dass er hier links abbiegen würde, um den Ausgang am Bärenfenster zu nehmen, während Samson die rechte Abzweigung nehmen sollte, um den Tierpark durch den zweiten Ausgang am Friedrichsfelder Schloss zu verlassen.
    »Wie heißt sie?«, wiederholte Samson.
    »Du hast sie womöglich bei Sinn getroffen. Sie ist ziemlich hübsch. Elegant, schlank, braune Haare. Hast du etwas zum Schreiben?«
    Samson wühlte in seiner Innentasche, fand einen Bleistift und die Eintrittskarte vom Tierpark. Er reichte beides Kai, der einen Namen darauf schrieb. Er gab Samson den gefalteten Zettel zurück und verabschiedete sich. Samson sah ihm nach. Er hat einen Gang wie eintrauriger Elefant, dachte er, während er den Zettel einsteckte und den ersten Tropfen abbekam. Sekunden später zuckten Blitze über den sich schlagartig verdunkelnden Himmel, der Lärm des Donners zerriss die Luft, und Platzregen setzte ein. Schreiend stoben die Kinder auseinander, die Augen ängstlich aufgerissen.
    ***
    Es fiel Ansgar Dengelow schwer, seinen Ekel zu überwinden. Handwarme Griffe. Er ging sowieso schon nicht gerne einkaufen, aber mit einem Einkaufswagen durch den Supermarkt zu ziehen, mit dem unmittelbar vor ihm irgendein Idiot seine Einkäufe erledigt hatte, empfand er als mindestens so unangenehm, wie sich auf einen angewärmten Platz zu setzen. Es stiehlt einem die letzte Illusion, dachte Dengelow, den letzten Rest Glauben oder Hoffnung, man könnte besonders sein, sich durch irgendetwas von all diesen Ameisen unterscheiden, die durch diesen