Radikal
zusammenführte?«
»Und hier?«
Kai blieb stehen und warf den Rest seiner Waffel in einen Papierkorb. Als er sich wieder Samson zuwandte, sprach er deutlich leiser. »Samson, das ist eine heikle Sache, o. k.?«
»Klar.«
»Was ich dir jetzt erzähle, habe ich noch nicht einmal meinen Leuten erzählt. Du wirst dir anschließend vielleicht denken können, warum. Jedenfalls habe ich einen Zuträger, einen ziemlich guten. Durch ihn bin ich drauf gekommen. Mittlerweile habe ich selbst ein paar Puzzlestücke zusammengetragen. Das Bild wird langsam klarer.«
»Worauf bist du gestoßen?«
»Kennst du den Film Fight Club ?«
»Ja, klar. Ein paar Typen fangen an, sich nach der Arbeit zum gegenseitigen Verprügeln zu treffen. Aber es ist alles geheim. Und am Ende wird daraus so eine Art Sabotagetruppe und schließlich eine Terrorgruppe. Ich glaube, sie sprengen eine Bank in die Luft oder so. Mit Sprengstoff, den sie aus Seife gebastelt haben und aus Orangensaft, wenn ich mich richtig erinnere. Ist schon lange her, dass ich den gesehen habe.«
»Keine Bank, sondern Verwaltungsstellen für Kreditkartenschulden. Ist ja auch egal. Der Punkt ist: Stell dir das mal eine Sekunde lang ohne Fäuste und stattdessen in intellektuell vor.«
»Ich hab keine Ahnung, was du meinst.«
»Ist vielleicht auch kein guter Vergleich, aber irgendwie muss ich immer an diesen Film denken, wenn ich mir das anschaue. Pass auf. Es ist folgendermaßen: In fast allen großen Städten Deutschlands und auch in etlichen kleineren sprießen seit einem guten Jahr private Salons aus dem Boden. Wie auf ein geheimes Kommando. Vorher gab es keine, jetzt eröffnet ständig ein neuer. Ist natürlich alles absolut unbedenklich und legal. Eine Mode, könnte man meinen. Und warum auch nicht? Sich nach Feierabend ein bisschen fortbilden und so. Da sind Bauarbeiter, Verkäuferinnen und Handwerker dabei, aber auch Bildungsbürger: Apotheker, Ingenieure, hier und da Anwälte, dazu mal ein Hotelier oder Hauptschullehrer oder Restaurantbesitzer, eine Galeristin, du kriegst eine Vorstellung. Jedenfalls ist das Interessante, dass es in diesen Salons immer nur um einThema geht: Islam, Muslime und die bevorstehende Islamisierung des Abendlandes, Minarette als Speerspitzen der Eroberung, die angebliche schleichende Einführung der Scharia, diese ganzen Sachen. Manche dieser Salons sind intellektueller, andere eher stammtischartig. Aber überall gelten dieselben Regeln: absolute Verschwiegenheit und keine Namen.«
»Kai, ich war bei genau so einem Treffen. Vor ein paar Wochen, in Zehlendorf.«
Kai starrte Samson ungläubig an.
»Du warst da? Was hast du mit denen zu schaffen?«
»Gar nichts, ein Freund hat mich dahin geschleift, als Experten oder so.«
»War das etwa der Salon von Sinn?«
Samson berichtete ausführlich von dem Abend, zu dem Stefan ihn eingeladen hatte.
Kai hörte aufmerksam zu, nickte zwischendurch und strich sich durch den Bart. Ab und zu schloss er die Augen, als würde er sich innerlich Notizen machen.
»Ja, das passt ins Bild«, sagte er, als Samson seinen Bericht beendet hatte. »Siehst du, ich glaube, dass diese Salons alle ein und denselben Ursprung haben: Doktor Sinn. Er und seine Leute haben sich das ausgedacht, weil sie so an genau die Art Leute kommen, die sie brauchen: Menschen mit ein bisschen Hirn und jeder Menge Ressentiments, die glauben, dass sie etwas verstanden haben, was der Rest der Gesellschaft noch nicht wahrnimmt. Leute, die zum Beispiel finden, dass Enzo Graether endlich mal die Wahrheit ausgesprochen hat, Geert Wilders ein Märtyrer der Meinungsfreiheit ist und so. Klar, das ist nicht verboten, überhaupt nicht. Aber ich glaube, dass die Salons nur eine Art Fassade sind. Oder besser gesagt ein Portal, ein Rekrutierungspool. Früher hätten wir das eine Vorfeldorganisation genannt, du weißt schon, so wie die ›Komitees gegen Folter an politischen Gefangenen‹ zu RAF – Zeiten oder so. Denn hinter diesen Salons, davon bin ich mittlerweile überzeugt, gibt es eine weitere Struktur, extrem abgeschottet, total klandestin, und da geht es nicht mehr nur ums Reden. Sondern um Aktionen. Und vielleicht auch um Gewalt.«
»Das Schweineblut?«
»Das vermute ich. Genau wie die Aufkleber auf den Moscheen hier in Berlin letzte Woche.«
»Hast du Belege?«
»Wie gesagt, es gibt da diesen Zuträger. Er ist in einem der Salons drin, einem der wichtigeren. Aber er kommt nicht in den inneren Zirkel herein, obwohl er sich sehr
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