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Radikal

Radikal

Titel: Radikal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yassin Musharbash
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trainierte im Sommer stets donnerstagabends um halb neun, wie sie von der Mitarbeiterin des MdB Paul Haffelmann erfahren hatte.
    »Cord, das Treffen findet heute Abend um 21 Uhr 30 statt, ich weiß aber noch nicht wo.«
    »Oh. Das ist schlecht. Das ist wirklich ungünstig. Hmmm … Na gut, dann musst du wohl wirklich alleine gehen.«
    »Kein Problem, es dauert ohnehin nur fünf Minuten, und den Bericht kriegst du ja morgen.«
    Problem gelöst. Aber wieso durfte Cord Munkelmann eigentlich nicht dabei sein? Weil sie ihm nicht traute, natürlich. Aber wenn sie den Bericht doch ohnehin nicht vor ihm geheim halten konnte?
    Samson.
    Sie hatte ihn nicht kommen hören. Auf einmal aber stand erneben ihr, ebenfalls an das Holzgitter gelehnt, ausgewaschene hellblaue Stoffhosen, ein dunkelblaues T-Shirt, in der Hand ein Bier. Kein Tannenzäpfle.
    »Wallahi!«, entfuhr es ihr.
    Samson lächelte. »Hallo! Ich hoffe, ich habe dich nicht erschreckt? Es sah so entspannt aus, wie du hier standest, und da dachte ich, ich hole mir schnell was zu trinken und stell mich gleich daneben.«
    »Na klar. Gerne doch.«
    »Schön, dich wiederzusehen.«
    »Ja, finde ich auch.«
    »Warst du schon mal hier? Gefällt’s dir?«
    »Nein, es ist das erste Mal. Aber es ist sehr nett. Ich mag den Blick.«
    Samson zeigte mit dem ausgestreckten Arm nach Friedrichshain herüber, wobei er einen Punkt leicht rechts vom direkt gegenüberliegenden Ufer anvisierte. »Da ungefähr wohne ich.«
    »Ah, Simon-Dach-Kiez?«
    »Ein bisschen weiter.«
    »Treffen wir uns deswegen hier? Damit du mir zeigen kannst, wo du wohnst?«
    »Nein. Ich hatte gehofft, dass es dir gefällt. Aber die ehrliche Antwort ist: wegen white noise .«
    »Wegen White Noise? Ist das eine Band, die gleich spielt?«
    »Nein. White noise nennt man Hintergrundgeräusche, die es schwer machen, ein Gespräch abzuhören.«
    »Ein Gespräch abzuhören?«
    »Sicher ist sicher.«
    »O.   k. Klar. Verstehe. Sicher ist sicher. Sag mal, spinnt ihr eigentlich alle?«
    »Was meinst du?«
    »Ach, ich bin einfach genervt. Ich bin das nicht gewohnt. Bis vor ungefähr drei Wochen hatte ich eher das Problem, dass mir keiner zugehört hat, und jetzt soll ich plötzlich aufpassen, dass man mich nicht belauscht.«
    »Du arbeitest für einen wichtigen Mann, und mit dem haben sich ein paar üble Typen angelegt, wie es scheint.«
    »Ist es denn so? Ich meine: Wie übel ist das nun alles?«
    »Keine Ahnung.«
    »Keine Ahnung? Keine Ahnung habe ich selber! Das ist hoffentlich nicht alles, was du für 350 Euro am Tag herausbekommen hast?«
    Sumaya bemerkte mit Wohlgefallen, dass Samson sie erschreckt ansah.
    »Samson, beruhig dich wieder. War ein Scherz. Ich wollte nur, dass zur Abwechslung mal jemand anders verunsichert ist. Erzähl, gibt es etwas Neues?«
    »Na ja, ein bisschen, wie man’s nimmt.«
    Samson berichtete, dass er mittlerweile sehr sicher war, dass ein Hamburger Islamist mit dem Namen Wisam Sanaani für einen großen Teil der bei Lutfi Latif eingegangenen Drohbotschaften verantwortlich war. Sumaya stellte einige Nachfragen und stellte schnell fest, dass Samson anscheinend sorgfältig gearbeitet hatte. Und dass er seine Erkenntnisse tatsächlich unabhängig gewonnen hatte, ein Umstand, dem sie einige Beachtung beimaß. Sie musste sich eingestehen, dass sie beeindruckt war. Zumal Samson bei dem Namen nicht haltgemacht hatte, sondern in der letzten Nacht tatsächlich noch länger mit zwei Cyber-Islamisten gechattet hatte, die Sanaani persönlich kannten. Beziehungsweise zu kennen vorgaben – auch da war Samson sorgfältig. Jedenfalls hielten beide Sanaani für einen Dampfplauderer. Was die übrigen islamistischen Botschaften betraf, hatte Samson keine Namen zu bieten.
    Sumaya versuchte, sich die Informationen so schnell wie möglich einzuprägen und sie gleichzeitig zu verarbeiten. »Was bedeutet das? Entwarnung? Oder erhöhte Bedrohung?«
    Samson, der Sumaya die ganze Zeit über angesehen hatte, nahm einen Schluck Bier und blickte aufs Wasser hinaus. Er denkt nach, dachte Sumaya. Er will nicht unvorsichtig sein.
    »Beides wahrscheinlich«, antwortete Samson schließlich. »Ich glaube, dass es in der Szene wirklich eine Menge Leute gibt, die deinen Chef gerne tot sähen. Die Briefeschreiber scheinen mir nicht das Problem zu sein. Aber auch Leute, die den Globus – Artikel gar nicht kannten, haben mir erzählt, dass der Abgeordnete spätestens seit der Verurteilung durch al-Qaidas Zentrale als jemand

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