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Radikal

Radikal

Titel: Radikal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yassin Musharbash
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erkennen. Auf dem Kopf ein weißes Tuch. Das Gesicht verpixelt, keine Details sichtbar, die Augen zu zwei kleinen, schwarzen Quadraten geschrumpft.
    Eine tiefe Stimme, ruhig und bedächtig, trotz der Verzerrung.
    Der rechte Zeigefinger stieß immer wieder belehrend in Richtung Himmel. So wie diese Typen es immer machen, dachte Dengelow. Was für eine selbstgerechte Scheiße.
    Die erste Sequenz der Videobotschaft war Arabisch, was Dengelow nicht verstand. Aber er hatte genug ähnlicher Videos gesehen, um zu begreifen, dass es sich um religiöse Floskeln handelte, Bismillahundsoweiterundsofort . Dann jedoch ging es auf Deutsch weiter, wofür er heimlich dankbar war.
    »Die Löwen der Organisation al-Qaida nördlich des Mittelmeeres haben heute eine gesegnete Operation in der Hauptstadt der Deutschen durchgeführt. Während der Abgeordnete in eurem Parlament und vom Glauben Abgefallene Lutfi Latif, möge Gott ihn verdammen, in einer Fernsehsendung saß, ließen die Löwen der Brigade Abu Laith al-Libi dort einen Sprengsatz explodieren. Unsere Scheichs haben über diesen Mann schon gesagt, was es zu sagen gibt. Er aber hat keine Einkehr geübt, sondern weiter Hass gegen die Mudschahidin gepredigt und versucht, alle wahren Muslime von ihrem Glauben zu entfernen. Der Tod ist der Preis dafür, wenn jemand solche Lügen verbreitet und sich den Gläubigen in den Weg stellt. Diese Operation ist ein Zeichen. Die Zeit des Redens und der Angebote ist vorbei. So wie unsere Scheichs den vom Glauben Abgefallenen Lutfi Latif aufgefordert haben umzukehren, haben sie auch das deutsche Volk aufgefordert umzukehren. Doch ihr habt die Hand, die unsere Scheichs ausgestreckt haben, nicht einmal, nicht zweimal, sondern dreimal zurückgewiesen. Bei Gott! Wir haben euch mehrmals gewarnt, und ihr habt nicht auf uns gehört. Wir aber halten unsere Versprechen. Wir rufen alle waffenfähigen Muslime in Deutschland und nördlich des Mittelmeeres dazu auf, ihre Pflicht zu erkennen und so lange zu kämpfen, bis Gottes Wort das höchste ist. Wie armselig sind jene, die das Diesseits um den Preis des Jenseits kaufen! Gehört nicht zu ihnen! Denn seid gewiss, der Dschihad wird weitergehen bis zum Tag der Auferstehung.«
    Abrupt brach das Video ab. Ein Zähler zeigte an, dass es 2   :   07 Minuten lang war.
    »Ihr erster Eindruck?«, fragte Dengelow den Auswerter.
    Rudolph räusperte sich. »Echt. Ich übernehme natürlich keine Verantwortung. Aber die Sprache passt. Die Begründung fällt ins Muster. Die schwarze Fahne, der weiße Schriftzug darauf – so würden die es machen, auf jeden Fall.«
    »Wieso spricht er Deutsch?«
    »Das ist in der Tat etwas ungewöhnlich. Aber die arabischen Untertitel sind auf den ersten Blick fehlerfrei und kongruent. Die Beteiligung eines oder mehrerer arabischer Muttersprachler oder fortgeschrittener Arabischsprecher ist daher wahrscheinlich.«
    »Was heißt ungewöhnlich in diesem Zusammenhang?«
    »Na ja, andersherum ist es häufiger. Aber es ist auch nicht das erste Mal. Allerdings ist es das erste AQ – Bekennervideo zu einem geglückten Anschlag in Deutschland, deshalb sind Vergleiche schwierig.«
    »Noch etwas auffällig?«
    »Ja, eine Sache, aber die steht unter demselben Vorbehalt. Nur ist es normalerweise so, dass AQ sich nicht so zügig bekennt. Nach London hat es zum Beispiel sieben Wochen gedauert.«
    »Was bedeutet das mit Blick auf die vermutete Authentizität?«
    »Lassen Sie es mich so sagen: Wenn es echt ist, wovon ich ausgehe, ist es zugleich ein Hinweis darauf, dass die Tat hier geplant wurde und die Attentäter sich durchgängig hier aufhielten. Das war in London 2005 anders. Die waren in Pakistan ausgebildet und instruiert worden.«
    »Verstehe. Also kann ich damit zum Präsidenten gehen? Sie wissen ja, was dann passiert.«
    »Ja, ich denke schon. Aber wir analysieren weiter. Mal sehen, was technisch noch zu holen ist, und ich ziehe noch einen Sprachmittlerund einen weiteren Islamwissenschaftler heran, wenn Sie nichts dagegen haben.«
    »Sie können alle haben, die Sie wollen. Haben Sie ein Transkript für mich?«
    »Ja, müsste in der Zwischenzeit auf Ihrem Schreibtisch angekommen sein.«
    »Danke, gute Arbeit!«
    Zurück in seinem Büro fand Dengelow auf dem Schreibtisch tatsächlich eine Abschrift des Bandes vor. Er griff zum Telefon und machte mit dem Vorzimmer einen eiligen Termin beim Präsidenten für 12 Uhr 15 aus. Dann öffnete er auf seinem Rechner die Formatvorlage für Vermerke und

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