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Radikal

Radikal

Titel: Radikal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yassin Musharbash
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erfahren haben musste. Wieder Schmerz dann in ihr selbst hochfuhr, sie schließlich ganz erfasste. Sie sah sich ihre Hand vor den Mund legen und auf Fadia zutaumeln. Aber dann hatte sie bemerkt, dass der Schrei ihrer Mutter die beiden kleinen Töchter herbeigerufen hatte. Sie standen am oberen Ende der Treppe, die Augen vor Angst geweitet, die ältere legte der jüngeren instinktiv den Arm um die Schultern. Aber die wollte sich losreißen, die Treppe hinunterstürzen, zu ihrer wunden Mutter hinunter. Gleichzeitig kam einer der BKA – Beamten ins Haus gestürzt. Auch er hatte Fadias Schrei gehört.
    Also ging Sumaya die Treppe hinauf, zu den Kindern, wieder zu den Kindern, hatte sie noch gedacht, während sie die Treppe hochstieg, und, oben angekommen, sofort vor den Töchtern in die Knie ging, sodass sie ihre Mutter nicht sehen konnten. Dann hatte sie sie weggeführt, Ta’alu, ta’alu ma’i , in ein Zimmer, von dem sie annahm, dass es ein Kinderzimmer sein könnte. Es war tatsächlich eines. Dort setzte sie die beiden Töchter auf eine Matratze, nahm ihre Köpfe in ihre Arme und flüsterte: »Ganz ruhig! Ganz ruhig«, genau so, wie Mina es jetzt zu ihr sagte, nur dass sie jetzt diejenige war, die weinte.
    Sie war noch bei Samson auf dem Dachboden gewesen, als sie Fadi angerufen hatte, um ihm mitzuteilen, dass es ihr gut ging. Und Fadi war es gewesen, der sie gefragt hatte, ob sie bei Fadia sei, gleich nachdem er ihr versprochen hatte, ihren Vater anzurufen.
    »Nein, wieso?«
    »Wo bist du denn , Susu? Solltest du nicht bei ihr sein?«
    Ja, das sollte sie. Fadi hatte recht. Und sie schämte sich, dass das nicht ihr eigener erster Gedanke gewesen war.
    »Samson, ich muss zu Fadia.«
    »O.   k. Das verstehe ich. Ich kann leider nicht mitkommen. Ich muss hier weitermachen. Ich muss versuchen zu sichten, was hier gerade passiert. Vielleicht ist es wichtig. Vielleicht finde ich eine Spur.«
    »Gut. Dann gehe ich jetzt.«
    »Soll ich dir ein Taxi rufen?«
    »Nein, ich find schon eins.«
    Und dann, als sie schon fast die Dachbodentür erreicht hatte: »Sumaya?«
    »Ja?«
    »Ich bin froh, dass dir nichts geschehen ist.«
    Als sie ins Taxi stieg, bat sie den Fahrer, im Radio nach Nachrichten zu suchen, bevor er etwas sagen konnte. Sie wollte nicht sprechen, nicht antworten müssen. Sie wollte auch nicht über Samson nachdenken, jedenfalls nicht jetzt.
    … stieg die Zahl der Todesopfer auf zehn, nachdem eine junge Frau ihren Verletzungen erlag. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz teilten der Präsident des Bundeskriminalamtes und der Bundesinnenminister unterdessen mit, dass sich das Terrornetzwerk al-Qaida in einer Videobotschaft zu dem Anschlag bekannt habe. Seine Behörde, erklärte der BKA – Präsident, halte das Band für »höchstwahrscheinlich authentisch«. In der Videobotschaft werde der Bundestagsabgeordnete Lutfi Latif als Ziel des Anschlags benannt. Der Grünen-Politiker war in der Vergangenheit bereits mehrfach von dem Terrornetzwerk mit dem Tode bedroht worden. Unmittelbar vor dem Anschlag war bekannt geworden, dass Lutfi Latif das neu geschaffene Amt eines Beauftragten der Bundesregierung für Deradikalisierungs-Projekte übernehmen sollte. Presseberichten zufolge wurde Latif mit schweren Verletzungen in ein Berliner Krankenhaus eingeliefert …
    Soll ich beten? Beten, dass er lebt? Beten für die, die gestorben sind? Beten für die Verletzten? Oder gleich dafür, dass das alles nicht passiert ist? Soll ich danken, dass ich lebe? Bismillah al-Rahman al-Rahim … Ich weiß nicht viel über Dich. Aber Du bist der Schöpfer der Welt und zu allen Dingen fähig … Sie konnte es nicht. Nicht nachdem sie bei Samson dieses Video gesehen hatte. Dieselben Worte, derselbe Gott. Es fühlte sich falsch an. Sie wollen nicht nur Flugzeuge hijacken, sie wollen auch eine Religion hijacken, hatte sie Lutfi mehr als einmal sagen hören. Aber was, wenn sie es geschafft haben? Wenn ich ihretwegen nicht mehr beten kann? Du bist zu allen Dingen fähig.
    Vor der Haustür standen zwei schwarz uniformierte Polizisten, Maschinenpistolen im Anschlag. Ein Hagerer mit Halbglatze. Ein rothaariger Untersetzter.
    »Entschuldigung, aber hier darf niemand hinein!«, sagte der Untersetzte.
    »Ach ja?«, entgegnete Sumaya müde. »Ich darf hier rein, glauben Sie mir.«
    »Junge Frau, das geht nicht. Sie bleiben bitte hier stehen. Zeigen Sie uns bitte erst einen Ausweis und dann Ihre Tasche.«
    »Wieso?«
    »Weil wir das kontrollieren

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