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Radikal

Radikal

Titel: Radikal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yassin Musharbash
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lieber, ich würde deine Exfreundin nicht kennen. Oder es wäre nicht Merle Schwalb. Außerdem bist du eine Kartoffel.«
    »Kartoffel?«
    »Du bist eine Kartoffel. Ich bin ein Ölauge. Ich hab Angst.«
    »Du hast Angst?«
    »Ich habe ’ne Scheißangst . Ich weiß nicht, wie das funktioniert. Mina, meine Mitbewohnerin, hat’s mit ihrem Weißbrot nicht hinbekommen. Er war natürlich ein Arsch. Aber vielleicht seid ihr alle Ärsche, auf eure Art. Vielleicht kommt’s uns auch nur so vor, und ihr meint es gar nicht so. Vielleicht ist es bei dir sogar schlimmer, weil du Arabist bist.«
    »Schlimmer? Ich hatte gehofft, dass es hilft.«
    »Ich weiß es nicht. Samuel, wir müssen langsam sein. So langsam, dass ich gar nichts merke. So langsam, dass ich es zwischendurch vergesse. Anders geht’s nicht.«
    »Das ist alles etwas viel auf einmal, aber o.   k.«
    »Wolltest du mich gestern küssen?«
    »Ja.«
    »Habe ich mir gedacht. Ich hatte Angst davor. Ich wusste nicht, ob ich es auch wollte. Ich weiß nicht, was ich will.«
    »Das kenne ich, also grundsätzlich.«
    »Ja, aber das reicht nicht, um mich zu verstehen, so grundsätzlich. Es ist was anderes.«
    »Ich weiß nicht, ob ich verstehe, was du meinst.«
    »Mist.«
    »Erklär es mir.«
    »Du wirst zum Beispiel versuchen, Arabisch mit mir zu sprechen.«
    »Kann sein.«
    »Siehst du!«
    »Was sehe ich?«
    »Du siehst es nicht. Noch nicht. Ich aber. Ich weiß, das klingt durcheinander. Ich hab Angst davor.«
    »Sumaya, wovon redest du? Hast du, keine Ahnung, hast du vielleicht Angst davor, was deine Familie dazu sagt, dass ich eine Kartoffel bin? Geht es darum?«
    »Nein. Auch. Später . Aber vor allem geht es darum, was ich dazu sage, dass du eine Kartoffel bist.«
    »Und was sagst du dazu?«
    »Das ist es ja, das weiß ich noch nicht. Irgendwie ist es mir unangenehm.«
    »Unangenehm?«
    »Das war nicht geplant.«
    »Was war denn geplant?«
    »Samuel, du darfst jetzt nicht einschnappen oder so was. Sei froh, dass ich überhaupt was dazu sage.«
    »O.   k.«
    »Entweder es funktioniert, oder es funktioniert nicht, abgemacht?«
    Wie eine Katze , dachte Samson, sie ist wie eine Katze. Sie kommt oder sie kommt nicht. Egal ob du nach ihr rufst.
    »Abgemacht.«
    »Ich hole mir jetzt Tee. Dann reden wir. Aber nicht mehr über uns.« Ihre Stimme stockte. »Sondern über gestern. Und über das, was wir heute machen müssen.«
    »Ja, machen wir. Ich hab übrigens Hunger.«
    »Ich hole was, setz dich hin.«
    Sumaya hatte den Balkon gerade verlassen, als Samsons Handy kurz vibrierte. Eine SMS . Er las sie, las sie noch einmal, löschte sie, wie befohlen, antwortete dann und löschte auch die Antwort aus seinem Handy. Dann sah er auf die Uhr. Wenigstens würde er noch mit Sumaya frühstücken können, bevor er Kai treffen musste.
    Sumaya kehrte mit einem Tablett zurück, auf dem vier Scheiben Toastbrot, ein Glas Nutella, zwei Schälchen mit Öl und Sa’tar , ein paar Oliven und Cornflakes sowie Milch standen, außerdem der Teekessel, den Samson benutzt hatte, und ein Glas für sie selbst. Sie setzten sich an den Tisch auf den Balkon. Die Sonnenstrahlen hatten ihn mittlerweile erreicht, und Samson fror nicht mehr.
    »Worüber reden wir zuerst?«, fragte Sumaya, während sie sich einen Nutella-Toast machte, und er konnte ihrem Gesicht ansehen, dass sie in Gedanken jetzt wieder ganz bei dem Anschlag war.
    Samson berichtete ihr von seinen Versuchen vom Vorabend, die Echtheit des Videos zu überprüfen. Und wie er zu dem vorläufigen Schluss gekommen war, dass es vermutlich tatsächlich von den Tätern stammte. Dass diese aber nicht notwendigerweise im Auftrag von al-Qaida gehandelt haben mussten. Sumaya hörte zu und nickte.
    »Gut«, sagte sie schließlich. »So sieht es also aus: ein paar durchgeknallte Typen, die zu viel al-Qaida-Video geschaut haben, haben beschlossen, es selbst durchzuziehen und in die Geschichte und das Paradies einzugehen.«
    »Ja. Wahrscheinlich.«
    »Es sei denn …«
    »Ja?«
    »Es ist alles so schrecklich, ich meine, ich war bei Fadia, als sie erfuhr, dass Lutfi … dass Lutfi tot ist. Ich bin ziemlich durcheinander. Aber …«
    »Sumaya, ich weiß, was du meinst. Aber es gibt nicht gerade viel, was in eine andere Richtung deutet, oder?«
    Eine andere Richtung : Wir denken es beide. Aber keiner vonuns spricht es aus, dachte Samson. Kais sorgenvolles Gesicht fiel ihm ein: Kennst du Fight Club? Dann, übergangslos, der Diener mit der nachtblauen Livree und

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