Radio Heimat
breit. Die Kassiererin erhebt sich und ruft durch den ganzen Laden: »Der Herr hier will nicht sparen! Er hat keine Payback-Karte!«
Die Menge kann es nicht fassen: »Unverschämtheit! Sauerei! Arrogantes Arschloch! Dafür haben wir uns nach 45 den Arsch aufgerissen! Der soll erst mal richtig arbeiten gehen!«
Eine kleine alte Frau mit fahrbarer Einkaufstasche legt mir eine Hand auf den Unterarm: »Die Prämien! Denken Sie doch an die Prämien! Ich habe letzte Woche diesen Fußball gekriegt! Ich wüsste gar nicht, was ich ohne den machen würde!«
»Kommsse getz ma in die Püschen, Graf Koks!«, schreit einer von ganz hinten.
»Watt kauft der eigentlich da?«, will ein anderer wissen. »Kondome mit Goldlack? Nimm die scheiß Karte oder ich probier die Dinger an dir aus!«
»Okay, dann geben Sie mir so eine bescheuerte Payback-Karte!«
»Geht das auch freundlicher?«, will die Kassiererin wissen.
Eigentlich nicht. Zum ersten Mal seit fünfzehn Jahren greife ich auf einen Trick zurück, mit dem ich früher Frauen reihenweise rumgekriegt habe: Ich lasse mir Tränen in die Augen steigen und bettele förmlich um eine Payback-Karte.
Erst als ich endlich wieder im Auto sitze, fühle ich mich einigermaßen sicher. Beim Verlassen des Parkhauses leuchtet die Warnlampe der Tankanzeige auf. Ich lenke den Wagen zur Aral-Tankstelle an der Wittener Straße. Siebzig Liter passen in den Tank. Das dauert. Ich denke nach. An der Zapfsäule hängt ein Schild, dass man hier nicht telefonieren darf. Habe mal gehört, da könne es zu Verpuffungen kommen. Bin in der Stimmung, das auszuprobieren. Ich nehme die Zapfpistole heraus, beuge mich zum offenen Tank hinunter und rufe zu Hause an, wo sich nur der Anrufbeantworter meldet. Das war jetzt was, wenn die später nur einen Knall hören und dann die Lebensversicherung kassieren können. Ich spreche auf den AB, dass ich gleich zu Hause bin und dass ich die Dinger mit Goldlack tatsächlich bekommen habe.
Die Kassiererin in der Tankstelle begrüßt mich mit einem Lächeln, das augenblicklich in sich zusammenfällt, als sie mein Gesicht mit einem gefaxten Foto vergleicht, dass sie neben der Kasse liegen hat.
»Sie sind doch der Mann, der nicht sparen will! Die vom dm haben schon angerufen! Wissen Sie eigentlich, dass Sie schon für 200 Payback-Punkte plus achtzehn Euro Zuzah-lung diesen unglaublichen Chronographen haben können? Brauchen Sie denn keinen Chronographen? Wissen Sie, wir normalen Menschen, die sehr gerne mal was sparen, wir können ohne Chronographen gar nicht leben! Und was ist mit Aktentasche, Portemonnaie, Regenschirm, Kulturbeutel und Saunahandtuch? Wie bitteschön wollen Sie ohne Saunahandtuch durch den Winter kommen? Ich habe schon gar keine Lust mehr, Ihnen unser leckeres Benzin zu verkaufen!«
Ich mache einen Diener bis zum Knie und schiebe ihr meine Payback-Karte über den Verkaufstresen.
»Na, also, geht doch!«
Ich weiß, dass mein Leben jetzt schöner werden wird. Nie wieder wird es mir an Aktentaschen oder Saunahandtüchern mangeln. Und wenn ich genug Punkte zusammenhabe, muss ich vielleicht nie wieder arbeiten.
»Ich glaube, wir müssen das hochkant nehmen«
»Pack vor allem die Bücherkisten nicht so voll, sonst kann man sie nicht tragen und der Boden kracht raus!«
Wohnen kann jeder. Umziehen dagegen will gelernt sein. Zu keinem anderen Thema meinen so viele Leute klugscheißen zu müssen. Bei uns im Ruhrgebiet sowieso. Da selbst wir Kreativtypen alle irgendwo einen im Stammbaum haben, der mal richtig hart gearbeitet hat, hält sich hartnäckig der Glaube, man müsse alles selbst machen. Zum Beispiel eben umziehen.
Sagen wir mal, Sie hocken nun seit zehn Jahren in der gleichen, vor sich hin gammelnden Studentenbude und stellen plötzlich fest, dass Sie in einen Lebensabschnitt eintreten, in dem Sie eine funktionierende Toilettenspülung, kalkfreie Rohre und korrekt verlegte elektrische Leitungen, die über dem Sicherheitsstandard russischer Atommeiler liegen, nicht mehr als Ausdruck langweiligen Spießertums ansehen. Vielleicht kommen Sie auch endlich zu der Erkenntnis, dass es durchaus unüblich ist, den Silberfischchen im Bad Namen wie Fridolin oder Horst zu geben. In Ihnen keimt der Wille zur Veränderung.
»Pack vor allem die Bücherkisten nicht so voll, sonst kann man sie nicht tragen und der Boden kracht raus!«
Alsdann studieren Sie die Wohnungsanzeigen: »1FH, Nähe
Biggesee,
zw.
Attendorn u. Plettenberg, unverbb. ruh. Südhnglg, 140
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