Radio Miracoli und andere italienische Wunder
Beine in die Höhe halte, fesselt Sergio mit erschreckender Geschicklichkeit die Hände des Mafioso.
»Was glaubt ihr wohl, was ihr hier treibt, ihr Idioten! Die kommen mich suchen, und dann seid ihr tot!«
Es folgen weitere Drohungen, die wir jedoch mithilfe eines Abwaschschwammes und einer Runde Klebeband abwürgen können.
Sodann schleppe ich Claudio aus der Küche, lehne seine Beine an die Lehne eines Sessels und lasse mich bleischwer auf das Sofa sinken. Meine eigenen Beine schlottern so sehr, dass ich Angst habe, die andern könnten es bemerken, wenn ich stehen bleibe. Fausto setzt sich neben mich und schlägt die Hände vor das Gesicht. Sergio läuft vor uns auf und ab.
»Wir haben eine Riesendummheit begangen, einen Riesenfehler!«, sage ich.
»Das war Sergio. Und jetzt geht er hinüber in die Küche, entschuldigt sich, und alles wird wieder gut!«, höhnt Fausto.
Schweigend schauen wir uns eine Weile an, bis wir allmählich wieder zu logischem Denken fähig sind. Wir sind uns einig, dass es mit Sicherheit nicht genügen wird, sich bei diesem Typen zu entschuldigen. Ich wage vorzuschlagen, die Polizei zu rufen, aber Sergio und Fausto sind nicht meiner Ansicht. Wahrscheinlich haben die beiden noch eine Rechnung mit der Justiz offen (beziehungsweise die Justiz mit ihnen), und so bestehe ich nicht darauf. Nicht zuletzt deswegen, weil sie laut darüber nachdenken, was es für Folgen haben könnte, wenn wir die Erpressung anzeigen und eventuell in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen werden würden. Auf jeden Fall könnten wir das Projekt »Agriturismo« beerdigen und müssten von nun an in der ständigen Angst leben, dass die ehrenwerten Signori früher oder später einen Weg finden, uns dafür bezahlen zu lassen. Und dann müssten wir sofort verschwinden.
Jetzt ist uns klar, warum der Preis für das Anwesen so niedrig war und warum die Renovierungsarbeiten nicht fortgesetzt wurden. Wir versuchen, uns eine andere Lösung zu überlegen, aber uns will partout nichts einfallen, das uns erlauben würde, unser Projekt weiterhin ungehindert durchzuziehen. Ich fühle mich absolut machtlos, aber da ich dieses Gefühl in der letzten Zeit ein wenig zu oft empfunden habe, bin ich nicht mehr bereit dazu, es erneut zu durchleben. Wut steigt in mir hoch, und Sergio scheint dies zu bemerken.
»Wir gehen nicht weg von hier. Eher lassen wir ihn verschwinden«, droht er.
»Mann, Sergio, ich lasse niemanden verschwinden! Für wen hältst du uns?«, frage ich ihn.
»Wir stecken ihn in den Keller und sperren ihn dort ein!«, erklärt er.
Fausto schüttelt den Kopf, nervös lächelnd. Mir scheint dies jedoch eine gute Idee zu sein. Natürlich ist es der reinste Wahnsinn, aber auch die einzige Lösung, die uns nicht zwingt, uns wehrlos in unser Schicksal zu fügen.
»Sergio hat recht … Wir eröffnen den Ferienhof, und sobald wir unsere Investition wiederhaben, schmeißen wir alles hin und lassen ihn frei«, sage ich.
»Seid ihr verrückt? Das dauert doch mindestens …«, meint Fausto.
Ich werde laut. »Ist mir völlig egal, wie lange es dauert. Ich lasse mich von einem beschissenen Mafioso doch nicht in den Ruin treiben!«
»Ihr wisst aber schon, dass sie ihn suchen werden, ja?«
»Und wir werden ihnen erzählen, dass wir den Mann nie gesehen haben und dass er nie hier war!«
»Und der Wagen?«
»Den werfen wir in eine Schlucht!«
»Idiot … den finden sie doch sofort!«
»Dann fackeln wir ihn ab …«
»Ja, genau, ein schönes Lagerfeuer. Das fällt überhaupt nicht auf!«
»Schluss jetzt!«, ruft Sergio. »Wenn wir uns einig sind, dass wir vor dem erstbesten kleinen Mafioso nicht den Schwanz einziehen, dann werden wir auch eine Lösung für den Wagen finden. Da könnt ihr beruhigt sein. Sind wir uns also einig?«
Man sieht es Fausto an, dass er nicht einverstanden ist, und ich überlege, welchen Knopf man drücken muss, um einen Typen wie ihn zu überzeugen. Womit appelliert man an seinen Stolz? Mit Heimatland und Ehre vielleicht.
»Fausto, bei Gott, das hier ist unser Land, holen wir es uns zurück!«, flüstere ich ihm zu.
Fausto schließt die Augen und holt tief Luft.
»Ja«, sagt er zu Sergio.
»Ja«, sage ich.
Wir drehen uns zu Claudio um, der noch immer leblos auf dem Boden liegt, während ihm die Zunge aus dem Mundwinkel hängt.
»Gut. Hundert Prozent der Wähler haben nach sorgfältiger Prüfung ihres Gewissens für den Antrag ›unbefristeter Widerstand‹ gestimmt!«, ruft Sergio und reckt
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