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Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Titel: Radio Miracoli und andere italienische Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Bartolomei
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ziehe ein Gesicht. »Mit dem Brennholz sollten wir uns wirklich abwechseln … Das ist Schwerstarbeit.«
    Claudio zappt sich indes durch alle Programme. Ein Reigen aus nacktem Fleisch und Silikon auf dem Bildschirm. Ich packe Fausto am Arm und ziehe ihn zur Tür hinaus. »Meiner Meinung nach tut ihm das gar nicht gut«, sage ich.
    »Hast du seitdem jemals wieder von ihm gehört, dass er die Nachrichten sehen will?«
    Resigniert breite ich die Arme aus. »Nein, aber …«
    »Beruhige dich. Noch ein paar Wochen, und dann können wir vielleicht schon auf Fußball umschalten«, erklärt er mir in lehrmeisterlichem Tonfall.
    Nun bin ich doch ein wenig überrascht. Was als Spaß begann, entwickelt sich mehr und mehr zu einem echten Entzug.
    »Na gut, dann fahre ich jetzt in den Ort, bevor mir die alten Weiber die besten Stücke wegschnappen«, sagt Fausto.
    Ich nicke. Noch bis vor zwei Wochen war es unmöglich, Claudio von den Nachrichtensendungen loszueisen. Jetzt schaltet er den Fernseher wesentlich seltener ein, und auch wenn er täglich gegen ein Uhr mittags und erneut um acht Uhr abends einen unwiderstehlichen Drang verspürt, ist er bereits nach ein paar Minuten der Berieselung überdrüssig.

40
    Wie vorherzusehen war, ist die Lotterie ein Selbstläufer. Mit den Sonderprämien gewinnen die Jungs fast jeden Tag eine Kleinigkeit. Am meisten überrascht mich jedoch, dass sie weiterhin die Stunde Freigang gegen Bier, Zigaretten und Joints eintauschen. Seit Wochen waren sie schon nicht mehr an der frischen Luft und sind zum Fürchten blass. Das, was bei mir – wäre ich an ihrer Stelle – oberste Priorität hätte, interessiert sie nicht im Mindesten. Sie haben sogar schon Geld gewonnen, fünfhundert Euro, um genau zu sein. Nachdem wir den Gewinn abgeholt haben, sind wir mit einer alten Holzkassette – eine von der Sorte, in der früher Weinflaschen aufbewahrt wurden – und ihrem Anteil von zweihundertfünfzig Euro in den Keller, um ihnen die Scheine zu zeigen. Sie haben sich gefreut, haben ihre Emotionen aber mit spöttischem Gelächter und – für den Fall, dass wir sie an der Nase herumführten sollten – versteckten Drohungen kaschiert. Aber so sind sie nun mal, die Burschen, und das fällt uns schon gar nicht mehr auf.
    In Begleitung von Sergio steige ich mit dem Tablett in der Hand in den Keller hinunter. Kaum treten die beiden aus dem Bad, stürzen sie sich sofort auf die Lose. Renato küsst das seine, bevor er zu rubbeln anfängt, Saverio hingegen reibt sich damit den Hintern.
    »Jawohl!«, brüllt Renato.
    Liebevoll tätschelt er den Streifen Papier und wedelt damit vor unserer Nase herum. Unter der goldenen Schicht kommen je zwei Kirschen am Stiel zum Vorschein.
    »Was gewinnt man mit zwei Kirschen?«, erkundige ich mich bei Sergio.
    »Eine Muschi!«, ruft Renato.
    Das hatte ich völlig verdrängt.
    »Und was wollt ihr stattdessen?«, frage ich.
    »Nichts, die Muschi wollen wir!«, erwidert er mit drohendem Unterton.
    Sergio nimmt das Los an sich.
    »Das ist ein seriöses Glücksspiel. Ihr bekommt euren Gewinn.«
    Sergio hatte diese Eventualität offenbar bereits im Vorfeld in Betracht gezogen und sich auf Vermittlung von Abu mit einer nigerianischen Professionellen in Verbindung gesetzt. Mangelnder Sex sei eine der stärksten Triebfedern, einen Fluchtversuch zu wagen, erläutert er, und deshalb sei es ratsam, unsere Gefangenen im Falle eines Gewinns zufriedenzustellen. Mir muss er das nicht erklären, aber als wir mit Fausto und Claudio darüber sprechen, scheinen wir wohl nicht intensiv genug auf deren Bedenken einzugehen. Es wird laut, wir werfen uns Beleidigungen und so manches »Sonst was?« an den Kopf, Türen knallen.
    Gegen Abend jedoch, als es an der Haustür klingelt, finden sich alle wieder im Wohnraum ein. Fausto stürzt aus dem ersten Stock herunter, eingehüllt in eine dichte Parfumwolke. Claudio beeilt sich, seinen Acht-Uhr-Porno auszuschalten und greift nach einer Illustrierten. Mit einem vielsagenden Blick mache ich Sergio auf die beiden aufmerksam, während ich selbst unbewusst an meinen Haaren zupfe.
    Vor der Tür steht ein Koloss von neunzig Kilo. Die Frau ist nicht fett, sondern besteht lediglich aus einer Unmenge Fleisch und Muskelmasse, die gleichmäßig über ihre Körpergröße von einem Meter und fünfundsiebzig Zentimetern verteilt sind. Mein erster Gedanke gilt den beiden blassen Jünglingen, die höchstwahrscheinlich von einer elfenhaften Hure osteuropäischer Herkunft mit

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