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Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Titel: Radio Miracoli und andere italienische Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Bartolomei
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da?«
    »Nichts!«
    »Willst du mir vielleicht mal erklären, warum du das ganze Zeug in das Klo gekippt hast?«
    Ich begreife, dass es ihr mit ihrer Frage ernst ist. Es ist absurd, aber diese Frau will tatsächlich einen Grund für meine chemischen Experimente wissen. Und mit sechs Jahren ist man noch nicht reif genug, um zu antworten: Was ist das für eine blöde Frage. Ich bin ein Kind und fasziniert von allem, was bunt ist und stinkt. Deshalb fällt mir auch nichts anderes ein, als zu sagen:
    »Ich experimentiere.«
    »Wieso?«, fragt sie mich.
    »Ich wollte sehen, wie diese Produkte im Wasser reagieren.«
    Meine Antwort begeistert meine Mutter, die allmählich begriffen zu haben scheint und mir am nächsten Tag mit sichtlichem Stolz einen Chemieexperimentierkasten schenkt. Wie alle Kinder war ich jedoch nur am Chaos interessiert – am Chaos der Lego-Bausteine, die in meinem hübsch aufgeräumten Kinderzimmer explodieren, am Chaos der Flüssigkeiten und Cremes, die die Porzellanschüssel der Toilette verstopfen, am Chaos eines Feuerchens, das die kurvige Karrosserie eines eben erst gekauften Ferrari-Modellautos deformiert. Auf jeden Fall hat meiner Erinnerung nach dieser Chemieexperimentierkasten eine Theorie bekräftigt, die damals bereits in mir heranzureifen begann: Lügen erleichtern das Leben, Lügen machen dich und andere glücklicher. Ich bin jedoch nicht einer jener permanenten Aufschneider und unerträglichen Typen, die ständig Lügenmärchen erzählen, um sich toller vorzukommen oder um andere zu beeindrucken. Meine Lügen sind ein Akt des Widerstands gegen die Macht.
    »So ein Mist!«, sagt Elisa, die noch immer telefoniert, gerade voller Ironie.
    Tja, denke ich.

52
    Kaum ist hinter mir die Haustür ins Schloss gefallen, frage ich mich bereits, was ich hier zu suchen habe. Weihnachten fährt man nach Hause, sicher, aber was macht man da, wenn man keine Familie mehr hat?
    Ich laufe von einem Zimmer ins andere, und in jedem sehe ich meinen Vater. Ich sehe ihn im Bett, auf dem Sofa, im Bad; ich sehe ihn überall in seinem Rollstuhl sitzen. Ich rufe ein paar Tanten und Cousins an, um mir nicht wie ein Waisenkind vorzukommen, das über die Feiertage im Heim bleiben muss. Keiner fragt mich, wie es mir geht. Ich erzähle von unserem Hotel, aber nicht viel, weil keiner Fragen stellt und mir bald klar wird, dass es niemanden interessiert.
    Fausto hat recht. Plötzlich habe ich meine Augen aufgemacht und festgestellt, dass meine Familie aus einem Faschisten, einem Kommunisten, einem Camorrista und einem Pechvogel besteht. Und aus einem toten Vater. Angesichts dieser Aussichten kann man sich eigentlich nur noch besaufen. Ich kehre in die Küche zurück, finde aber nichts Trinkbares. Im Wohnzimmer ist außer einer Flasche mit einem Rest Limoncello und einem Glas mit eingelegten Kirschen ebenfalls nichts Alkoholisches aufzutreiben.
    Zu meiner Überraschung entdecke ich jedoch eine Schachtel mit den Überresten einer Krippe. Es ist nicht irgendeine Krippe, sondern die, die ich als Kind immer aufgebaut habe. Viel ist allerdings nicht mehr übrig von der alten Pracht. Ein Stall aus Balsa-Holz, der Rest eines Sternenhimmels, ein Komet aus bronzefarbenem Papier, ein Bauernhaus ohne Dach. Das Beste sind noch die Figuren: Der heilige Josef hat einen Pistolengurt um seine Tunika geschnallt, und der Schäfer ist ein Sioux-Indianer. Den Ochsen kann ich nirgends finden, und wenn ich mich recht entsinne, hat er damals bei einem Kampf mit Big Jim den Kürzeren gezogen. Neben dem Esel, der nur noch ein Ohr hat, platziere ich eine Reihe Schäfchen. Das Jesuskind dürfte eigentlich noch nicht in der Krippe liegen, aber mein Vater hat die Vorstellung nicht ertragen, dass Josef und Maria anbetend und mit offenen Armen auf eine leere Futterkrippe starrend dastehen sollten. Die Heiligen Drei Könige sind verschwunden. Ich weiß nicht mehr, ob ich sie verbrannt oder aber als Zielscheiben für meine Luftpistole benutzt habe. Ich ersetze sie durch drei Bauern. Um dem Szenario einen aktuelleren Touch zu verleihen, setze ich allen dreien Mini-Sonnenbrillen aus Stanniolpapier auf. Anstelle von Gold, Myrrhe und Weihrauch sind sie gekommen, um ihren Schutz anzubieten. Schließlich gehören die Besitzer des Stalls zu den alteingesessenen Familien, und Herodes hat in der Gegend hier wirklich nichts zu melden.
    Als sie fertig ist, gleicht die Krippe einer Mischung aus Wanderzirkus und Wunderhof. Und das Glas mit den eingelegten Kirschen ist

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