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Radio Nights

Radio Nights

Titel: Radio Nights Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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– nicht »verhältnismäßig« – gute Sendung.
    Ich machte es einfach so, wie ich mir vorstellte, eine solche Sendung täglich zu veranstalten. Ohne große Erklärungen, kein
     Personality-Brimborium; ich redete über Dinge, die mir einfielen, an einiges erinnerte ich mich erst wieder, als ich am nächsten
     Tag die Bänder anhörte, so aufgeregt war ich. Ein paarmal patzte ich mit der Technik, redete zweimal in den Gesang am Anfang
     einer Platte hinein – das darf man nicht,
niemals
–, ansonsten war ich zufrieden. Sehr zufrieden. Als ich das Studio verließ, um mit Frank, der im Technikerraum gesessen hatte,
     ein Bierchen trinken zu gehen, konnte ich es kaum erwarten wiederzukommen. Verdammt, war das ein gutes Gefühl.
Ich hatte endlich Radio gemacht
. Nicht auf sehr hohem Niveau, vielleicht hatten fünfzig, hundert Leute zugehört – doch für die hatte ich mein Bestes gegeben,
     und ich war sicher, daß es ihnen auch gefallen hatte. Natürlich hatte ich das Rad nicht neu erfunden, aber sicherlich Ungewöhnliches
     geleistet – für Mitte der Achtziger. Bei der anschließenden Kneipentour fiel es mir überaus schwer, mich auf Frank zu konzentrieren,
     ich ließ ihn sogar die Läden aussuchen, obwohl eigentlich ich selbst an der Reihe war. Es hatte mich erwischt, endgültig infiziert,
     und ich fieberte dem Zeitpunkt entgegen, die nächste Sendung buchen zu können. Morgen. Übermorgen. So schnell es irgend ging.
     Ich |83| war eifersüchtig auf jede Sekunde, die ein anderer beim
OK
sendete.
     
    Am nächsten Morgen war ich ein bißchen enttäuscht, weil nicht sofort das Telefon klingelte. Irgendwie hatte ich Anrufe von
     Zeitungen und Zeitschriften erwartet und mindestens einen vom Programmchef irgendeines öffentlichrechtlichen Senders. Aber
     es passierte nichts. Gegen Mittag buchte ich – ausnahmsweise telefonisch – einen neuen Termin, leider war erst am kommenden
     Donnerstag wieder etwas frei. Der Typ, der meine Dispo entgegennahm, beglückwünschte mich zu der tollen Sendung. Immerhin
     etwas.
     
    Am Nachmittag rief mich Veronika im Laden an. Sie war etwas kurz angebunden, hatte meine Nachricht, daß ich Sonntagnacht meine
     Sendung hätte, gerade erst bekommen. Ich gab ihr den neuen Termin durch. Ich war flattrig.
Radio machen
. Am liebsten wäre ich sofort wieder zum
Offenen Kanal
gefahren, um jede Sendepause zu nutzen. Seit Ewigkeiten zum ersten Mal nahm ich den Tuner der Anlage im
Your Sound
in Betrieb, um die
anderen
zu hören, und es war schrecklich, schrecklich, schrecklich, noch bis Donnerstag warten zu müssen.
    Aber ich schaffte es, fuhr noch eine Sendung, patzte diesmal nicht, hatte sogar fünfzehn Anrufer, von denen diesmal nur einer
     Schwachsinn brüllte, und am nächsten Morgen klingelte tatsächlich das Telefon.
    »Donald Kunze?«
    »Ja.«
    »Das war nicht schlecht gestern nacht, wirklich nicht schlecht. Nicht nur im Vergleich mit dem anarchistischen Mist, der sonst
     da läuft – ich habe gestern den ganzen Abend lang zugehört. Aber was Sie da gemacht haben, alle Achtung. Sie haben eine tolle
     Stimme. Und ein gutes Gefühl für den Rhythmus. Für das, was man sagen muß.«
    |84| »Danke.« Ich grübelte, die Stimme kam mir bekannt vor. »Mit wem spreche ich?«
    »Siegfried Dierek.«
    »Oh.« Dierek war stellvertretender Programmdirektor bei einem öffentlichrechtlichen, und er moderierte Sport. »Wo her haben Sie meine Nummer?«
    »Von Ihrer Schwester.« Es klang seltsam, wie er das sagte, und er sagte es unwillig.
    »Aha.« Ich spürte, wie sich etwas in mir zusammenzog.
    »Mmh. Wollen Sie mal bei uns vorbeischaun?«
    Rapuff. Sechs Worte:
Wollen Sie mal bei uns vorbeischaun?
Ich konnte mir in diesem Moment vorstellen, wie sich jemand fühlt, der gerade die Ziehung der Lottozahlen verfolgt, und alle
     Kreuzchen stimmen. Gott, wie lange hatte ich darauf gewartet. Und dann war es so einfach. Und hatte auch noch Spaß gemacht.
    »Klaro.«

|85| 10. Enjoy The Silence
1984
    »Erzähl mir was von deiner Familie«, bat Liddy, beugte sich über den Rauchglascouchtisch und zündete ein Räucherstäbchen an.
     Ich stand am Regal, das sie aus Ziegelsteinen und einfachen Brettern gebaut hatte, und begutachtete ihre Plattensammlung.
     Barclay James Harvest, Tangerine Dream, Andreas Vollenweider, Reinhard Mey. Das Jackson-Browne-Album, das sie im
Sound-Fashion
gekauft hatte. Mike Oldfields
Platinum
, City, die DDR-Combo – das rote Album, auf dem
Am Fenster
ist; Dutzende

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