Radio Nights
widersprochen hatte. Die Richtlinien waren eng,
und ich dehnte sie pausenlos bis zum Maximum. Das hatte mir Abmahnungen eingebracht, Aufforderungen, an Gesprächen teilzunehmen,
bei denen immer
ich selbst
das Thema war. Meine Ideen wollte keiner hören. Ich wollte sie auch nicht mehr vortragen; Perlen vor die Säue, die fetten
Säue, fast Beamte, auf jeden Fall mit Pensionsanspruch.
Meine Hörer
. Die würde ich vielleicht retten können, wenn Vögler wirklich das vorhatte, was er da erzählte. Es war nicht der erste Abwerbungsversuch
– eher der … hundertfünfzigste. Aber die hatten alle nur meine Stimme gewollt. Oder sogar meinen Körper dazu. Radiosender,
Synchronstudios (so eine
unglaubliche
Scheißarbeit, hatte ich ein paarmal versucht), und dann das Fernsehen. Was glaubten die eigentlich? Ich war ein
Radiomann
. Radio und Fernsehen, das sind zwei Paar Schuhe. Nee, das sind Turnschuh und Gummistiefel. Zwei Welten. Ich wollte mit diesen
blasierten
Hier-erkennen-mich-alle-Wichsern
nichts zu tun haben. Obwohl ich – anders als viele meiner Kollegen, die unbedingt zum Fernsehen wollten – das nötige Äußere
mitbrachte. Drauf geschissen.
»Ich will das Konzept sehen«, sagte ich. Vögler nickte, schob mir einen dicken, broschierten Papierstapel zu, den er aus |119| seinem Timer zog. Ich nahm ihn, blätterte kurz durch – sauber gestaltet, ein paar Kalkulationen, schon beim Durchsehen stieß
ich auf einige Formulierungen, die von mir stammten, stoppte bei der Liste des technischen Inventars.
»Kommt mir bekannt vor«, grinste ich.
» Berlin One
«, bestätigte Vögler. »Wir haben übermorgen einen Verhandlungstermin. Eigentlich steht die Sache. Vorverträge sind bereits
gemacht.«
»Sie lehnen sich ganz schön aus dem Fenster.«
»Na ja«, sagte er, ohne das Gesicht zu verziehen. »Die Verlage werden nicht sofort eine zweite Chance bekommen, auch wenn
es nicht die gleichen sind, jedenfalls teilweise. Die
Alternativen
haben zwei nahezu deckungsgleiche Konzepte vorgelegt und sich hinter den Kulissen ein bißchen … unglücklich verhalten. Wir
haben Studios, drei Mio Liquidität, ein sauberes betriebswirtschaftliches Konzept und ein Team.«
Er unterbrach die Aufzählung, aber etwas fehlte noch.
» Und? «
»Vier der sieben Entscheider sind fest auf meiner Seite. Felsenfest.«
Ich zwinkerte, nahm mir eine weitere Zigarette, wedelte dann mit dem leeren Bierglas in Bennos Richtung. Während wir warteten,
dachte ich ein bißchen nach. Nicht sehr orientiert, Gedankenfetzen flatterten, und tatsächlich fragte ich mich sogar, was
Liddy davon, von diesem Typen gehalten hätte, aber nur ganz kurz. Als das Bier da war, nahm ich einen großen Schluck. Dann
beugte ich mich vor, näher an sein ausdrucksarmes Gesicht heran, hinter dem ich einen Mann vermutete, erhoffte, der eine ähnliche
… Affinität zum Medium hatte wie ich selbst. Obwohl das eigentlich unwahrscheinlich war. Unmöglich. Je mehr Radioleute ich
kennengelernt hatte, um so geringer war meine Hoffnung geworden.
»Okay.« Ich atmete tief durch. »Mein Name bleibt aus den offiziellen Gesprächen und Verlautbarungen, bis die Frequenz |120| zugeschlagen ist. Ich will bei allen konzeptionierenden Sitzungen dabeisein, wir machen einen formlosen Vertrag über Discjockeyschulungen,
so was dürfte keine Probleme beim Sender machen. Ich kündige, wenn die Frequenz da ist. Ich will die Nachtsendung, sonntags
bis freitags von Mitternacht bis fünf Uhr morgens.
Meine
Sendung, keine Beeinflussung, bis auf Standards wie Nachrichten und so weiter. Moderator und stellvertretender Programmchef
– ich denke,
Sie
werden sich Programmchef nennen wollen –, Mitsprache bei der Anstellung jedes Moderators. Ich schule alle Discjockeys, jedenfalls
die, die völlig neu anfangen. Die Jingles werden bei
JAM Productions
hergestellt, nach meinen Vorschlägen.«
Ich lehnte mich wieder zurück.
»Ist das alles?« Er lächelte, sogar ziemlich fröhlich.
»Ich habe eine
sehr
konkrete Vorstellung, wer Musikchef werden sollte.«
Er nickte: »Und was ist mit Geld?«
»Zweitrangig. Moderates Fixum plus Gewinnbeteiligung. Ich bin durchaus bereit, ein
wirtschaftliches
Risiko einzugehen.«
Er stand auf, hielt mir seine Hand hin. Ich erhob mich ebenfalls, etwas langsamer, als würde mir das die Chance geben, im
letzten Moment einen Rückzieher zu machen, ergriff und schüttelte die Hand. Ein wirtschaftliches Risiko. Sein Gesicht gab
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