Radio Nights
»Das ist bei uns produziert worden.
Volldigital.«
»Oha«, nickte ich anerkennend. CDs waren noch auf dem Vormarsch, aber einem sicheren. Volldigitale Tonstudios gab es noch
nicht viele.
»Ich hab’s verkauft, vor drei Wochen. Meine Finanziers sind unabhängige Kaufleute.«
Ich zog die Stirn kraus.
» Keine
Baubranche. Keine Leute, die mit ihren Kids die Station bevölkern oder ins Programm quatschen. Eine Handvoll Unternehmer,
die an die Sache glauben.«
»Dafür die Aufkleber.«
Er lachte. »Ja, unter anderem. Es überzeugt Leute, wenn man ihnen das Gefühl vermittelt, seiner Sache ziemlich sicher zu sein.
Um ehrlich zu sein, kennen meine Hintermänner« – er sprach das Wort sehr selbstbewußt aus, ein bißchen wie ein Mafiaboß, der
auf seine Bodyguards verweist – »den Unterschied zwischen einem Tonstudio und einem Rundfunkstudio nicht. Einer fragte mich,
ob er bei uns dann eine Platte aufnehmen kann.« Vögler kicherte, ohne das Gesicht zu verziehen. »Sie wissen, daß Radio aus
dem Radio kommt, salopp formuliert. Daß da Werbung läuft, die eine Menge Geld bringen kann. Sie wissen aber auch, daß man
damit nichts verdient, wenn keiner zuhört. Ich konnte ihnen vermitteln, daß ich derjenige bin, der Hörer bringen wird.«
»Vögler wie
ficken
, der noch nie beim Radio gearbeitet hat, noch nie was mit Radio zu tun hatte?« Ich zog die Stirn kraus, legte den Kopf schräg.
»Bluff as bluff can?«
Er lehnte sich zurück, der billige Stuhl knarrte vernehmlich. »Ihr tut alle so, als wäre Radio ein Buch mit mindestens siebzig
Siegeln. Dabei braucht man nur ein paar Plattenspieler, ein Mischpult, ein paar Platten und Discjockeys. Genaugenommen. Natürlich
schon ein bißchen mehr,
in realitate
. Aber das sind die Dinge, die das Endprodukt bestimmen: |117| Das, was beim Hörer ankommt. Guter Sound und gute Stimmen. Alles andere kann man hinbekommen.«
Ich grunzte. Natürlich war das theoretisch alles, was man brauchte, um Radio zu machen, technisch, manche Leute versuchten
es sogar auf diese Art, anderswo. Aber es wäre natürlich trotzdem kein Radio.
»Außerdem hatte ich ein As im Ärmel.«
Ich hob eine Augenbraue.
»Ich sagte ihnen, daß Donald Kunze dabei ist. Und legte
American Radio
in das Konzept. Leicht umformuliert. Das hat sie überzeugt.«
Ich atmete geräuschvoll aus, lehnte mich meinerseits zurück.
Natürlich
wollte ich Radio machen, natürlich wollte ich
Privatradio
machen, bei den öffentlich-rechtlichen war kein Blumentopf zu gewinnen, jedenfalls langfristig nicht, vor allem dann nicht,
wenn man konzeptionell Einfluß nehmen, Ideen umsetzen wollte. Mir ging es gut, ich war eine Größe, wenn auch nicht ohne Kritiker,
nicht einmal im Haus,
erst recht
im Haus nicht. Ich war fester freier Mitarbeiter, mit einem Vertrag, der praktisch unkündbar war, verdiente recht dicke Kohle
und arbeitete keine fünf Stunden am Tag,
Mucken
und Sondersendungen nicht mitgerechnet.
Eigentlich wollte ich das irgendwann selbst machen. Was heißt eigentlich.
Auf jeden Fall
. Ganz alleine, also schon mit einem Team, aber unter meiner Leitung, in meiner Verantwortung, mit meinen Ideen, und
nur
mit meinen Ideen. Zweiter Mann, rechte Hand, das waren Euphemismen für Kompromisse, Vorgaben schlucken, Scheißmusik spielen,
blödes Zeug ansagen, dumme Veranstaltungen durchführen. Aber
vielleicht
war es ja ein guter Schritt in die richtige Richtung. Eine Chance, ein paar der Ideen auszuprobieren, quasi eine Generalprobe.
Und das zum richtigen Zeitpunkt.
Andererseits war es wirklich riskant. Ich konnte mir kaum vorstellen, daß mich der Sender freundlich lächelnd bei der Entwicklung
eines Konkurrenzbetriebes mitmachen lassen würde.
›Bleiben Sie bei uns, bis Sie wissen, ob die neue Sache
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was wird.‹
Nein, da stand eher Arschtritt mit kleiner Abfindung auf dem Programm. Verweis auf die Ausschlußklausel im Vertrag. Verweis
an die Rechtsabteilung des Senders. Dr. Krausewitz saß im Rundfunkrat, einer der dicksten Anwälte der Stadt, vier Jahre Justizsenator.
›Natürlich, Kunze. Wir sind immer für Sie da.‹
Am Arsch hängt der Hammer.
Doch der Spaß hielt sich inzwischen auch in Grenzen. Ich fuhr diese Sendung jetzt fünf Jahre, zwar mit immer noch wachsendem
Erfolg, aber auch einer gewissen stoischen Routine, ohne große Höhepunkte, was mich selbst anbetraf. Ein gutes Dutzend Mal
hatte ich was auf die Fresse bekommen, weil ich Anweisungen mißachtet und
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